Das Projekt konsolen.net wurde im Sommer 2007 eingestellt. Bei diesem Internetauftritt handelt es sich nur noch um ein Archiv der Inhalte von 1996 bis 2007.
geschrieben von Alexander P. Weber
Hersteller: Squaresoft
Genre: RPG / Adventure
System: PlayStation, US-Version
Besonderheiten: 2 CDs
USK (ESRB): . / .
Spieler: 1
Testmuster von: Eigenimport
Eine grandiose FMV-Sequenz stimmt den Spieler auf die kommenden Ereignisse ein und beginnt mit der Erzählung einer spannenden Story: Aya Brea, Polizistin in New York, besucht eines Abends die Oper. Obwohl sie sich auf den Abend freut, hat sie irgendwie ein ungutes Gefühl. Kurze Zeit später stellt sich heraus, daß die Vorahnung nicht ganz unberechtigt war.
Während des Auftritts einer Sängerin gehen urplötzlich die Schauspielerkollegen in Flammen auf. Doch bevor man den Grund dafür eventuell in dem seltsamen Kantinenessen der Oper suchen könnte, greift das Feuer auch auf das Publikum über. Fast alle Opernbesucher verbrennen aus heiterem Himmel bei lebendigem Leibe, während die Sängerin unbeirrbar weitersingt. Nur Aya übersteht das Inferno unverletzt. Schon ihr Beruf zwingt sie, der Sache nachzugehen und herauszufinden, wie es zu diesem bizarren Vorfall kam. Offenbar hat die Sängerin etwas damit zu tun. Doch warum wurde ausgerechnet Aya verschont? Ist sie auch in die Angelegenheit verwickelt? Eine geradezu mystische Horrorgeschichte entfaltet sich dem Spieler, als er mit Aya immer mehr in das Geschehen eintaucht und Schreckliches zu ihrer Vergangenheit und Zukunft entdeckt...
Auf dem Wege zum großen Finale bekämpft Aya zahlreiche Gegner, die der Aufklärung des Falles im Wege stehen. Obgleich der erste Eindruck sehr an Capcoms indizierten Horrorschocker erinnert, laufen die Kämpfe erfrischend anders ab: Ähnlich wie in einem konventionellen Rollenspiel basiert das Kampfsystem auf einem "Echtzeit-Phasensystem". Neu ist allerdings die Möglichkeit, sich während des Kampfes zu bewegen, um die eigene Position zu verbessern, sprich sich aus der Schußlinie zu bewegen oder eine bessere Schußposition einnehmen zu können. Nach Ablauf eines Timers kommt es schließlich zur Angriffsphase, in der Aya ihren Gegnern mit verschiedenen modernen Waffen einheizen kann. Selbstverständlich wurde auch Magie nicht außen vor gelassen. Magische Kräfte werden dabei durchaus eindrucksvoll in Szene gesetzt.
Außerhalb des Kampfes gleicht die Steuerung Capcoms Vorbild. Man bewegt seine Polygonfigur durch die vorberechneten Bitmapgegenden und interagiert mit verschiedenen Objekten und Personen. Gespräche werden dabei als Text eingeblendet, der auf Tastendruck wieder verschwindet.
Gelegentlich treiben FMV-Sequenzen die Handlung voran. Alle Zwischensequenzen sind ähnlich wie bei Final Fantasy VII von einer unglaublich hohen Qualität. Damit gliedern sie sich zwar nicht so gut in das Spielgeschehen ein wie die in Echtzeit berechneten Sequenzen der direkten Konkurrenz, sorgen ob der schönen Bilder und des phantastischen Soundtracks aber immer wieder für ungläubiges Augenreiben. Nach Ablauf der Sequenz schaltet das Spiel wieder in die gewohnte starre Perspektive um. Daran zeigt sich schon, daß technisch keine Revolution vor sich gegangen ist. Die Grafik befindet sich qualitativ eher im (aktuellen) Mittelfeld. Lediglich die sehr guten Zwischensequenzen zeigen, daß Parasite Eve mit viel Liebe zum Detail gestaltet wurde.
Im Gegenzug leistet sich die Grafikengine aber auch keine Schwächen. Slowdowns und Clippingprobleme sind praktisch nicht vorhanden. Höchstens die etwas farbarme Gestaltung mag Anlaß zur Kritik bieten, doch verbietet die Story wohl ein quietschbuntes Design. Wie nach Final Fantasy von Square erwartet und vom Genre diktiert, präsentiert sich die Welt in einer schicken Bitmapgrafik. Lediglich die Akteure bestehen aus Polygonen, die wie immer nicht so recht in die unscharfe Umgebung passen wollen.
Der Sound spielt in genau der selben Liga: Soundeffekte wurden nur sehr spartanisch verwendet; die wenigen SFX klingen noch dazu oft etwas flau und blechern. Um so besser schlägt jedoch der sehr gute Soundtrack ein. Große Teile der Musik hätten auch ohne das unterstützende Spiel eine Daseinsberechtigung in der heimischen CD-Sammlung.
Wer sich unter Parasite Eve ein Final Fantasy in der Welt von Resident Evil versprochen hat, wird bitter enttäuscht werden. Zwar ist die Story durchweg interessant und recht originell, das Spiel ist aber leider schlicht und einfach nicht umfangreich genug, um ähnlich lange zu fesseln wie Final Fantasy VII.
Der durchschnittliche Spieler dürfte Parasite Eve nach gut 20 Stunden komplett durchgespielt haben. Für ein Horroradventure mag das ausreichen, für ein Rollenspiel ist das aber eindeutig zu wenig. Es bleibt kaum Zeit, die Entwicklung des Charakters zu beobachten. Außerdem stört nach einer Weile die - von den FMV-Sequenzen abgesehen - ziemlich hausbackene Präsentation. Ein wenig Sprachausgabe hätte dem Spiel mit seinen zwei CDs gut zu Gesicht gestanden. Statt dessen gibt es Textorgien wie bei den unzähligen japanophilen Kopffüßler-Rollenspielen.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Parasite Eve ist ein großartiges Spiel, das von der ersten bis zur letzten Minute zu fesseln vermag. Jeder, der sich auch nur halbwegs mit den Genre anfreunden kann, wird an dem Spiel seine helle Freude haben. Leider ist es aber nicht ganz so gut wie der gigantische Hype im Vorfeld hoffen ließ. Auch wenn einige Kleinigkeiten den Zugang in die Annalen der Videospielegeschichte verwehren, ist es ein phantastisches Stück Software, das sein Geld in jeder Hinsicht wert ist. Wer Resident Evil und Final Fantasy schon kennt, sollte sich dieses Spiel auf jeden Fall zulegen. Mit seinem linearen und unkomplizierten Gameplay ist es aber auch Einsteigern ausdrücklich zu empfehlen. (aw)