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geschrieben von Alexander P. Weber
Hersteller: Eidos Interactive
Genre: Action-Adventure
System: PlayStation, PAL-Version
Besonderheiten: Memory Card (1 Block)
USK (ESRB): . / .
Spieler: 1
Testmuster von: Handel
Jupp, Tomb Raider. Man kennt es, und wahrscheinlich liebte man es (und Lara!) aus ganzem Herzen. Nun hat Lara endlich die lange versprochene Möglichkeit, ihren Abenteuerdrang in einer weiteren Episode um die Suche nach Artefakten zu stillen. Diesmal verschlägt es sie wieder in allerlei exotische Länder, von denen die meisten Spieler noch nie etwas gehört haben. Sie hofft, auf ihren Reisen den "Dolch von Xian" aufzuspüren, der seinem Besitzer unendliche Macht und ein ebensolches Leben ermöglichen soll.
Auf ihrem Weg passiert sie unter anderem China, Venedig, eine alte Bohrinsel und vor allem sehr viele Gegner, die im Gegensatz zum ersten Teil der Saga nun hauptsächlich zur Gruppe der Menschen oder der Caniden gehören. Die üblichen tierischen Bewohner haben zwar nicht ganz ausgedient, Laras hoher Bodycount im ersten Teil scheint die Population dieser teilweise in ihrer Existenz bedrohten Tiere jedoch derart reduziert zu haben, daß Eidos sich nun mehr auf häuslichere Gegnerscharen einstellte. Der Rest der Geschichte ist - wie man so schön sagt - ebendies, Geschichte. Von den neuen Gegnern, einem ergänzten und überarbeiteten Waffenarsenal und Laras neuer Fähigkeit zu klettern abgesehen, bleibt praktisch alles beim Alten.
So verhält es sich auch mit der Grafik. Hier und da glaubt man, eine kleine Veränderung der Qualität wahrzunehmen, doch Lara läuft weiterhin hemmungslos durch eigentlich solide Hindernisse und schaut auf wundersame Weise durch die dicksten Wände. Ein besonderer Leckerbissen ist das "beamen" durch eine auffallend stabile Glasscheibe im Bohrturm.
Wer würde jetzt noch erwarten, Eidos hätte im Ausgleich wenigstens den Sound erneuert?! Lara ächzt und stöhnt genau so wie im ersten Teil, jeder noch so lächerliche Fund eines MediPacks entlockt ihr ein überraschtes "Aha!", jeder unfreiwillige Stopp vor einer Wand führt zu einem Stöhnen, das direkt aus einem schlechten Pornofilm stammen könnte. Selbst die Musik erweckt zum großen Teil den Eindruck, man habe mehr eine Scenery Disk für den ersten Teil vor Augen statt eines einhundert Mark teuren Sequels. Natürlich heißt das, daß die Qualität der Musik wieder einwandfrei und die Abstimmung auf das Spielgeschehen ähnlich beeindruckend ist, doch irgendwie war alles schon einmal da.
Wie es aussieht, ist das Gameplay das einzige, was wirklich einige Neuerungen zu bieten hat - leider. Während der erste Teil hauptsächlich durch das exakte Timing und genaues Zielen der Sprünge forderte, ist die einzige Herausforderung von "Tomb Raider 2" das Überwinden der schier unendlichen Anzahl von Gegnern. Selbst in dem kleinsten, dunkelsten und mit tödlichen Fallen versehenen Verhau tummeln sich mehrere Gegner, die - einmal durch einen falschen Schritt freigesetzt - Lara das Leben zur Hölle machen. Selbstverständlich sind fast alle dieser Gegner bewaffnet - mit Waffen, die sich beim Tod des Widersachers in Luft aufzulösen scheinen, so daß der Spieler auf die Gnade des Programms angewiesen ist, wenn er seine Waffensammlung ausbauen will.
Bezeichnend, daß es wieder eine Stelle gibt, bei der man ohne Bewaffnung anfangen darf - allerdings muß man diesmal gleich wiederholt an den schwerbewaffneten und skrupellosen Bad Guys vorbei, ohne eine reelle Chance zu haben, dem Feuer der Gegner zu entgehen. Ebendies zeichnet das ganze Spiel. Die Faszination, die sich beim ersten Teil während der Erforschung großer, längst vergessener Städte und Regionen einstellte, die Spannung, was Lara nun im nächsten Raum erwarten möge, die angsterfüllte Erkundung riesiger Räume, all dies weicht der sicheren Erwartung einer feindlichen Übermacht hinter dem nächsten Vorhang. Hilfreich - wenn auch der Atmosphäre nicht gerade zuträglich - ist dabei die Möglichkeit, den Spielstand zu jeder Zeit zu speichern.
"Tomb Raider 2" reduziert sich selbst auf ein dümmliches Shoot 'em Up mit Sprungeinlagen. Eigentlich gibt es keine Spielergruppe, der ich "Tomb Raider 2" als Kauftip ans Herz legen könnte. Fans von klassischen 3D-Shootern werden mit Hexen oder den bekannten indizierten Titeln besser bedient, Tomb Raider-Fans werden aber enttäuscht. Das Spiel ist eigentlich nicht viel weiter als "Nightmare Creatures" oder die anderen "billigen" TR-Clones.
Satte 100 Mark für ein Spiel zu verlangen, das besser als Option des gesteigerten Schwierigkeitsgrad in seinem eigenen Vorgänger aufgehoben wäre, ist mehr als dreist. Aufgrund des in Anbetracht der mangelnden Neuerungen viel zu hohen Preises und des wenig motivierenden Gameplays gerade in den ersten fünf Leveln reicht es beim besten Willen nicht mehr für eine "gute" Note. Der teilweise überzogene Schwierigkeitsgrad wird Einsteiger (die mit dem ersten Teil sowieso besser und preiswerter bedient werden) und Ab- und Aufsteiger von TR 1 erschrecken. (aw)