Das Projekt konsolen.net wurde im Sommer 2007 eingestellt. Bei diesem Internetauftritt handelt es sich nur noch um ein Archiv der Inhalte von 1996 bis 2007.

Konsolen.net > Tests > Dreamcast: Headhunter

tests

Headhunter

geschrieben von Sascha Gläsel

Hersteller: Amuze / Sega
Genre: Action-Adventure
System: Dreamcast, PAL-Version
Besonderheiten: 2 GDs; unterstützt Vibration Pack, 60 Hz, VMU (min. 30 Blöcke); englisch mit dt. Untertiteln
USK (ESRB): ab 16 Jahren
Spieler: 1
Testmuster von: eigene Anschaffung

Dreamcastbesitzer können heutzutage Neuerscheinungen für ihre Konsole an einer Hand abzählen. Kein Wunder also, dass jedem neuen Titel sehnsüchtig entgegengefiebert wird. Wenn dann noch ein solch ambitioniertes Projekt wie "Headhunter" erscheint, welches sich spielerisch am Klassiker "Metal Gear Solid" orientiert, ist doch wohl für gehaltvolle Spielekost auf Segas bereits zu Grabe getragener Dreamcast gesorgt, oder nicht?

PackshotLos Angeles in der Zukunft. Die USA ist fest in der Hand eines offenbar totalitären Regimes mit gleichgeschalteter Presse und einer privat finanzierten Polizei, dem Anti-Crime-Network (ACN). Die Headhunter-Kopfgeldjäger der ACN machen Jagd auf Kriminelle und Angehörige mächtiger Gangstersyndikate. Allen voran dem Syndicate mit seinem geheimnisumwitterten Boss Don Fulci, der der Gesellschaft den Kampf angesagt hat.

Rekonvaleszens und Amnesie
Euer virtuelles Alter Ego, Jack Wade, ist die ehemalige Nummer Eins unter den Kopfgeldjägern mit einer beeindruckenden Liste an Verhaftungen. Doch sein Glück hat ihn verlassen. Nur mit knapper Not ist ihm die Flucht aus einem seltsamen Labor gelungen bevor geheimnisvolle Wissenschaftler Hand an ihn legen konnten. Schlimmer noch. Als er nach seiner Flucht in einem Krankenhaus wieder zu sich kommt, hat er sein Gedächtnis verloren. Wieder genesen macht er sich auf, Licht in das Dunkel seiner Vergangenheit zu bringen.

Dabei muss er wieder von Null beginnen, da er keine Headhunter Lizenz mehr besitzt wie ihm sein immer noch in Freundschaft verbundener Ex-ACN-Vorgesetzter bei einem Krankenbesuch erklärt. Wenigstens hat er schon einen ersten Job. Angela Stern will mit Hilfe von Jack den Mörder ihres Vaters finden. Der Gründer des ACN, Christoper Stern, wurde an seinem Schreibtisch ermordet. Sie vermutet Fulci als Drahtzieher der Tat. Als Unterstützung gibt sie ihm sogar noch eines ihrer Motorräder. Nettes Mädchen, gelle ;)

Headhunter von LEILAs Gnaden
Sein Weg führt ihn zunächst zu LEILA, der Zulassungsstelle für angehende Headhunter. Allerdings muss Wade vorher durch fleißiges Motorradfahren erst ein wenig Erfahrungspunkte sammeln, bevor er LEILA einen Besuch abstatten darf. Hierzu macht ihr die Straßen von L.A. unsicher. Nur wenn ihr mit einer bestimmten Mindestgeschwindigkeit heizt, werden euch Punkte gut geschrieben.

Zu Beginn ist dies lediglich eine kleine Fleißaufgabe. Später wird es euch nicht mehr so leicht gemacht. Sind beim ersten Male die Straßen fast leer, müsst ihr euch im weiteren Spielverlauf durch dichteren Verkehr schlängeln. Erschwerend kommt hinzu, dass euch bei Crashes Erfahrungspunkte abgezogen werden. Den Hobel unter Kontrolle zu halten ist dabei nicht ganz einfach. Gebt ihr zu stark Gas hebt sich das Vorderrad in die Luft, so dass ihr wenige Augenblicke keine Kontrolle mehr habt.

Im Simulator
Habt ihr die benötigte Erfahrung gesammelt, erscheint am Parkplatz des LEILA Gebäudes eine Zone, in der ihr euer Motorrad abstellen dürft. Eine unfreundliche Dame schickt euch in einen Simulator, in dem vier Aufgaben gemeistert werden müssen um die erste Lizenz von insgesamt vier zu erhalten. Nebenbei erlernt ihr die Grundtaktiken, die für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit Voraussetzung sind.

Denn wer zu oft in Rambo-Manier durch die Level rennt, hat nur geringe Überlebenschancen. Vorsichtiges vorantasten und anschleichen ist angesagt. Geduckt nutzt Wade Kisten, Container oder Autos als Deckung aus, um Verbrechern von hinten zu erwischen und sie lautlos mit einem schnellen Handgriff auszuschalten. Steht der Kriminelle mal ungünstig, wirft er zur Ablenkung eine Patrone um den aufgescheuchten Posten in eine günstigere Position zu manövrieren.

Täuschen und Tarnen
Darüber hinaus beherrscht es Wade sich eng an Wände geschmiegt vorzuarbeiten. Kommt er an eine Ecke oder eine Tür späht er vorsichtig auf die andere Seite. Sieht er dort bewaffnete Verbrecher patroullieren, springt er auf Knopfdruck hervor und nimmt sie unter Feuer. Erst wenn ihr den Button wieder los lasst, geht Wade automatisch hinter der Ecke wieder in Deckung. Praktisch, um ein neues Magazin in eure Wumme zu rammen oder gegnerischem Beschuss zu entgehen.

Daneben erwarten euch einige kleinere Rätsel der Marke "finde passendes Utensil für die den weiteren Weg blockierende Vorrichtung". Ihr dürft zum Beispiel fleißig Gegenstände am richtigen Ort benutzen, Schalter betätigen, Kisten verschieben oder eine Reihe von Bomben entschärfen. Für letzteres müsst ihr eine kleine Tastenkombination innerhalb eines knappen Zeitlimits nachäffen.

Vielfältige Aufgaben
Diverse Aufträge werden Jack Wade auf der Suche nach dem Mörder von Christopher Stern anvertraut. Ihr trefft euch unter anderem mit Informanten, legt euch mit einer Motorradgang an, infiltriert eine von Gangstern besetzte Mall, befreit eure entführte Auftraggeberin oder versucht eine groß angelegte Bankbetrügerei zu verhindern. Eure Motorradkünste sind gefordert, wenn ihr in L.A. versteckte Atombomben aufspüren sollt. Die meisten eurer Aufträge gipfeln in Duellen mit meist besser bewaffneten Bossgegnern, die ihr nur mit taktischer Finesse lebend übersteht.

Nicht alle Leute, die euch über den Weg laufen, sind auch zum Abschuss freigegeben. Hat die ACN mit ihren Männern erst einmal eine konspirative Wohnung krimineller Elemente hops genommen, dürft ihr als gesetzestreuer Headhunter die ACN-Posten nicht einfach abknallen. Hier hilft nur vorsichtiges vorbeischleichen und zur Not der Einsatz eines Neuroschockers. Die ACN ist euch nämlich im weiteren Spielverlauf nicht ganz grün, da euch nebenbei ein Verbrechen angehängt wird.

Besondere Waffen
Da ich schon mal gerade dabei bin, ein paar Worte zur Bewaffnung. Eurem Kopfgeldjäger stehen abhängig von der erworbenen Lizenz ein unterschiedlich umfangreiches Waffenarsenal zur Verfügung. Zur Grundausstattung zählen ein Neuroschocker (eine Pistole, deren Munition Gegner für kurze Zeit lähmt) und eine ENP-Pistole mit unendlicher Munition. Was eine ENP-Pistole ist, fragt ihr? Eine Waffe, die Elektro-Neurale Projektile verschießt. Sagt euch nichts? Dann lasst mich etwas weiter ausholen.

Die Medizin in der Welt von Jack Wade hat erhebliche Fortschritte gemacht. Wer es sich leisten kann, verlängert sein Leben durch vielfache Organtransplantationen. Darum sind Organe sehr gefragt. Eine der Bezugsquellen sind verurteilte Verbrecher, denen einfach zwangsweise Transplantate entnommen werden. Wer möchte schon die teure Handelsware durch die Benutzung von Projektilwaffen gefährden, wenn durch ENP-Wummen letztlich durch Nervenüberlastung der Hirntod eintritt, ohne dass die kostbaren Organe in Mitleidenschaft gezogen werden?

Dickere Wummen
Neben der ENP-Pistole, die ihr nach dem Erwerb weiterer Lizenzen in verbesserter Form (größeres Magazin, schnellere Feuerrate) mit euch führt, gibt es noch härteres Kaliber. Eine im Nahkampf enorm durchschlagskräftige Flinte oder eine gegen mehrere Ziele effektive Maschinenpistole zum Beispiel. Weitere nützliche Dinge, wie einen elektronischen Türöffner gibt es mit höherer Lizenz. Außerdem ist Wade mit ENP-Handgranaten und getarnten Sprengfallen ausgerüstet, die ihr während eurer Streifzüge gegen das Syndicate aufsammelt.

Daneben findet ihr weitere nützliche Gegenstände. Adrenalin läßt euch eine Art Verletzungen absorbierendes Schutzschild aufbauen, der nach und nach aber seine Wirksamkeit verliert. Seit ihr einmal angeschlagen, päppelt euch ein kleines Erste-Hilfe-Kit wieder auf. Wie viel ihr von der nützlichen Ausrüstung mit euch führen dürft, hängt wiederum von der Lizenz ab. Erst mit einer höheren bekommt ihr einen Gürtel, in den mehr Sachen reinpassen.

Sehr gute Grafik
In gewohnter Third-Person-Sicht steuert ihr den Kopfgeldjäger durch detaillierte Locations. An die Klasse eines "Shenmue" kommt "Headhunter" zwar nicht heran, doch wissen die vielen abwechslungsreichen Texturen der sorgfältig und detailliert in Szene gesetzten Straßen und Gebäude zu gefallen. In den Abwasserkanälen der Stadt dürft ihr zum Beispiel versiffte Wände "bewundern", in Büros stehen entsprechende Gegenstände, wie Telefone, Computer oder Kopierer, die wie Glas bei versehentlichem Beschuss auch zu Bruch gehen können. Ruckler oder Slow-Downs gibt es so gut wie keine. Nur beim Motorradfahren müsst ihr mit dezentem Pop-Up leben.

Für eine dicken Atmosphärebonus sorgen die vielen Nachrichtensendungen, die von zwei realen Schauspielern präsentiert werden. Sie führen euch zu Anfang auch in einer Zusammenfassung einiger Sendungen in die Hintergrundgeschichte von "Headhunter" ein. Dank der guten schauspielerischen Leistungen und dem typischen Gebahren der Ansager, das wohl jeder aus eigenem TV-Konsum kennt, wirkt das alles sehr authentisch und gelungen. Gott sei Dank wurden die Sprecher nicht synchronisiert, so dass ihr die volle englische Originaldröhnung genießen dürft. Deutsche Untertitel helfen den des Englischen nicht so kundigen.

Komplexe Steuerung
Die komplexe Steuerung benötigt etwas Einarbeitung wollt ihr nicht unfreiwillig euren Headhunter Beruf an den Nagel hängen. Haltet R gedrückt und Wade reißt seine Waffe hoch und zielt. Betätigt jetzt noch A um einen Schuss oder auch mehrere abzugeben. B dient dazu um ein anderes Ziel ins Visier zu nehmen oder damit sich Wade mit der Waffe im Anschlag dreht, da er ansonsten so nur vorwärts läuft oder nach links und rechts straft. Um gegnerischem Beschuss aus dem Weg zu gehen, hechtet sich Wade in Deckung oder duckt sich hinter Kisten oder Fahrzeugen.

Die künstliche Intelligenz eurer Kontrahenten ist nicht ganz ohne. Es wird euch nicht leicht fallen, sie ungesehen zu passieren. Selbst über größere Entfernungen machen sie euch aus und nehmen sofort mit gezückter Waffe eure Verfolgung auf. Wollt ihr einem Schusswechsel aus dem Weg gehen, heißt es schnell weglaufen und gut verstecken. Finden sie euch nicht gehen sie nach einer Weile wieder ihre normalen Patrouillenroute ab.

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste
Als überaus nützlich erweist sich dabei eine kleine eingeblendete Karte, auf der auch die sichtbaren Gegner mitsamt Blickrichtung vermerkt sind. Haben sie euch gesehen, zeigt euch eine rote "Danger" Anzeige auf der Map an, dass euch gleich die Kugeln um die Ohren fliegen. Versucht ihr Wachen mit einer geworfenen Kugel abzulenken, seht ihr ein gelbes "Danger". Jetzt heißt es vorsichtig sein, da sie sich mit gezückten Waffen auf Ursachenforschung begeben. Im Gegensatz zur Entdeckung aber werden nicht Kumpel aus einem weiteren Umkreis herbeigerufen. Denn den Lärm einer Schießerei bekommen auch weiter weg stehende Gangster mit und greifen ein.

Musikalisch ist "Headhunter" eines der absoluten Highlights, die Segas Dreamcast zu bieten hat. Die Hintergrundmusik wurde von einem richtigen großen Orchester in den Londoner Abbey Road Studios eingespielt. Entsprechend bombastisch sind dann auch die Töne, die da aus der Box kommen. Leider gibt es keine Option um die Lautstärke des Spielesounds und der Musik unabhängig voneinander zu regeln, so dass die Soundeffekte die toll komponierten Songs in meinen Augen etwas zu stark überlagern.

Speichern aber richtig
Da ihr jederzeit speichern dürft, wird der Eindruck erweckt dies sei auch in jedem Fall sinnvoll. Dem ist aber nicht so. Jeder Level besteht aus mehreren überschaubaren Teilen. Ladet ihr einen Spielstand, landet ihr am Anfang des jeweiligen Abschnittes. Alles, was ihr bisher in diesem Teil des Levels an Wachen ausgeschaltet oder an Rätseln gelöst habt, ist dann wieder da, als ob ihr vorher diesen Teil des Levels noch nie betreten hättet.

Leider gehört "Headhunter" zu den wenigen Konsolentiteln, die nicht ganz ohne Fehler sind. Einige wenige Bugs haben sich in die Verkaufsversion geschlichen, die bis hin zum Absturz des Spieles führen können. Da verschwindet eure Spielfigur schon mal komplett vom Bildschirm oder die Hintergrundmusik bei einer Motorradtour durch Knackser beeinträchtigt (einfach einmal "Start" drücken um ins Inventar zu kommen und das Knacksen sollte weg sein). Das hätte wirklich nicht sein müssen.

fazit

"Headhunter" sorgt dafür, dass eure Dreamcast noch nicht in der Ecke verstauben muss. Ihr werdet durch die tolle Atmosphäre sofort in das düstere Zukunftsszenario der "Headhunter" Macher herein gesaugt. Die zur jeweiligen Location hervorragend passenden detaillierten Texturen, die prächtigen Nachrichtensprecher und die trockenen Sprüche von Jack Wade machen Amuze Action-Adventure zu einer runden Sache, das an einem guten Action-Film erinnert. Dabei kommt das eigentliche Spiel natürlich nicht zu kurz. Zwar sind die Rätsel so platt, wie in Capcoms "Resident Evil" Reihe, doch reißt die taktisch angehauchte Action mit den abwechslungsreichen Aufträgen das Ganze wieder heraus. Einzig die Motorradsequenzen wirken etwas aufgesetzt, haben mir aber trotzdem viel Spaß gemacht. Für Dreamcastfans ein absolutes Must-Have (sag).


grafik: 8.5 | sound: 8.0 | gameplay: 9.0 | gesamt: 9.0
Copyright 1996-2007 bei Jochen Rentschler. Alle Rechte vorbehalten.