geschrieben von Marcus Reichle
Hersteller: Evolution Studios
Genre: Rallye
System: PlayStation2, PAL-Version
Besonderheiten: 16:9 Option, GT3 Racing Wheel-kompatibel
USK (ESRB): -
Spieler: 1-2
Testmuster von: Sony
Die World Rally Championship fristete noch vor ein paar Jahren auf dem Konsolensector ein Schattendasein. Dies änderte sich mit einem Paukenschlag als Colin McRae Rallye für die PSOne die Spielewelt mit einer realitätsnahen Rallye-Simulation der Spitzenklasse in ihren Bann zog. Seit diesem denkwürdigen Tag muss sich alles, was mit der Raserei über Stock und Stein zu tun hat, am Referenz-Titel messen. Mal schauen, ob Sonys neues Werk "WRC" spielerisch dem Altmeister das Wasser abgraben kann oder ihn gar vom Sockel stößt.
Optimale Voraussetzungen
Die Bedingungen für einen Wechsel an der Rallye-Spitze sind auf alle Fälle denkbar günstig: Im Vorwort begrüßt Euch kein Geringerer als der Vorsitzende der ISC (Fernsehsender mit allen kommerziellen Rechten der WRC) und lässt erkennen, dass man von offizieller Seite dem Entwicklerteam von "Evolution-Studios" mit Rat und Tat zur Seite stand.
In Sachen Lizenzen gab es mit einer Cooperationsfirma wie Sony natürlich auch keine Probleme; so findet Ihr alle Teams und Fahrer (außer Colin McRae) der vergangenen Saison 2001 in dem Spiel wieder. Da es keinen Übungsmodus gibt, könnt Ihr Euch auch gleich auf den WRC-Modus stürzen und aus 2 Schwierigkeitsstufen (Easy und normal) wählen. Um "profi" freischalten zu können, muss die gesamte Rallye erst auf "normal" gewonnen werden.
Als nächstes steht die Teamwahl (Subaru, Peugeot, Ford, Mitsubishi, Hyundai, Skoda, Citroen) an, die sich mit je einem aktuellen Renngeschoss offerieren. Da jedes Team vor der Saison die Verträge mit ihren Fahrern abschließt, stehen pro Team auch gleich 2 Fahrer-Gespanne zur Wahl. Darunter befinden sich das gesamte who is who der tollkühnen WCR-Piloten wie Tommi Makinen, Carlos Sainz, Richard Burns usw. inklusive ihren Strecken-Koordinatoren.
Vorfreude ist die schönste Freude
Als erstes werdet Ihr mit einem schicken FM-Video (natürlich in DVD-Qualiät) und deutschem Sprecher durch spektakuläre Real-Aufnahmen wie man sie aus Euro-Sport-Sendungen kennt, in den Rallye-Circus eingeführt. So erfährt man (falls nicht schon bekannt), dass die Meisterschaft in 14 verschiedenen Länder wie Monte Carlo, Schweden, Portugal, Spanien, usw. in ebenso vielen Rennen ausgetragen wird. Jedes Rennen wird zudem in jeweils 5 Etappen gefahren, somit ergibt sich eine Summe von 70 Zeitrennen (Stages). Bevor Ihr mit dem Tross in das nächste Land weiterzieht, gibt's jedes Mal ein neues Filmchen zu sehen, das mit typgerechten Streckeninformationen gespickt ist. Hier heißt es aufpassen, denn allein schon an den realen Streckenbildaufnahmen, können Schlüsse auf das kommende Level-Terrain gezogen werden:
Satelliten unterstütztes Strecken-DesignEvolution Studio (ehemalige Mitarbeiter von Psygnosis) nutze nämlich Satelliten-Fotos aller Rennstrecken, um diese direkt in die Streckenkonstruktion einzubinden. Man war peinlichst darauf bedacht, sämtliche Landschaften so real wie möglich nachzubauen. Dabei wurden keine Kosten und Mühen gescheut und die Level-Künstler sogar an die Renn-Schauplätze geflogen. Dort schoss man unzählige Fotos, die nicht nur der Informationsbeschaffung dienten, sondern gleich als Texturen in das Spiel integriert wurden.
Hat sich die Mühe gelohnt?Der betriebene Aufwand hat sich gelohnt und lässt die Rallye-Welt aus Bits und Bytes schon verdammt real aussehen, und einen manchmal erst auf den 2 Blick erkennen, dass es sich hier "nur" um ein Spiel handelt. Als besonders herausragend empfindet man die enormen Höhenunterschiede. Wenn man von tiefgelegenen Monte Carlo in die umliegenden Berge hinauf prescht, kann man keinen Unterschied zum letzten Urlaub feststellen - es geht beides Mal wirklich steil den Buckel hoch!
Noch nie waren extreme Bergetappen und ihre Höhenunterschiede so plastisch dargestellt. Dies gilt jedoch für alle Strecken, es geht wörtlich über Stock und Stein; ständig windet sich die Strecke durch eine tolle Landschaft und versetzt Euch oft ins Staunen wie echt doch alles wirkt. Die Level-Designer achteten nämlich auch darauf, dass beispielsweise Schotter-Strecken nicht wie ein künstlicher Fremdkörper wirkt, sondern mit der Umgebung jeweils in Farbe und Form eine Einheit bilden. Trotzdem sind die Fahrbahnen auch bei hohem Tempo immer noch gut erkennbar. Apropos Farbe, hier war man um Authenzität bemüht, d.h. man sieht in WRC keine "unnatürlichen" Farben, die in der Natur nicht vorkommen, sondern je nach Kontinent Usus sind. So liegt es auf der Hand, dass beispielweise in Kenia viele helle und dunkle Sand-Töne dominieren, welche durch einen schicken Lensflare-Effekt der Sonnenstrahlen noch wärmer und kräftiger wirken. Im Gegensatz dazu wirkt, der Zwergstaat Monaco im späten Januar kalt und unbehaglich.
Schadens-ModellDies gibt es natürlich auch in WRC, jedoch ist es nicht so spektakulär wie in vollmundigen PR-Anzeigen beschrieben. D.h. Lackschäden und eine totale Verbeulung ist mir auch nach über 15 Überschlägen und zig Wandschleif-Minuten beim besten Willen nicht gelungen. Meist hängt nur die Frontpartie schief und die Front/Heck-Scheiben, als auch sämtliche Leuchten sind hinüber. Je nach Crashstärke ist mit einen Getriebe-, Antriebswellen-, Lenk-Schaden oder Ölverlust zu rechnen. Dies bleibt nicht folgenlos und so zieht die Lenkung anschließend permanent in ein Richtung oder man hat unangenehmen Gangproblemen bzw. einen Leistungsverlust zu kämpfen.
Ein wichtiges Kapitel - die Fahr-Physik!Vor jedem Rennen muss man 5 simple Wageneinstellungen mit je 3 Varianten (Bremsstärke, Getriebeumsetzung, Steuerung, Reifenart, Federung) vornehmen. Auf der zuvor angezeigten Streckenkarte mit Angaben zu Wetter, Straßenbelag, Länge und Streckenverlauf, ist es auch nicht mehr allzu schwer die passenden Einstellungen an seinem Pistenräuber vorzunehmen. Zudem hat man vor jedem Rennen zwei Mal die Möglichkeit das Wagen-Setup zu überprüfen. Haut die Abstimmung nicht hin, werdet Ihr dies durch die daraus resultierenden Auswirkung auf das Fahrverhalten schnell merken: Eine zu harte Federung auf unebenen Schotterpisten lässt die Rallye-Schüssel wie eine zappelnde Pflunder unruhig auf und ab springen. Die sonst harmlosen Sprungeinlagen über leichte Anhöhen führen mit dem misslungenen Setup jedes Mal zu beinahe Überschlägen - zudem rüttelt das Pad deutlich mehr und lässt Euch den Fisch quasi spüren!
Bei Wettereinflüssen wie Regen und Schnee sollte man unbedingt auch die optimalen Reifentypen (Regen/Asphalt/Spikes) aufziehen, da man sonst schnell einen Abflug in den Straßengraben macht. Dies geschieht nämlich schneller als einem lieb ist, da oft die rettenden Streckenabgrenzungen fehlen. Einen satten Zeitverlust kassiert man auch, wenn man eine Getriebe-Übersetzung, welche eigentlich für kurvenreiche Strecke konzipiert, auf einem gradlinigen Kurs wählt.
Die Rallye-typischen Straßenbeläge wie Asphalt, Schotter, Eis und einen Misch daraus, wirken sich wie angedeutet gravierend auf das Wagen-Handling aus. D.h. je rutschiger der Untergrund, desto schneller kommt der Wagen auch ins Driften. Dieses nimmt weiter zu, wenn man sich für eine möglichst direkte "Steuerung" entschieden hat. In diesem Fall kommt das Fahrverhalten fast an die des Kollegen Colin McRae rann. Einen kleinen Abstrich gibt's trotzdem: Der Wagen ist zwar stets zielgenau dirigierbar, nur auf Asphalt-Strecken ist die Fahreigenschaft aller Fahrzeuge einfach einen Deut zu "rutschig" ausgefallen und irritiert einen realen (sportlich fahrenden) Autofahrer, da so schnell wie der Profi-Bolide nicht einmal ein stink normales Auto zu schlittern anfängt.
"100, rechts 4 und links 3"Mit diesen Worten (Englisch ebenfalls wählbar) hilft Euch Euer Copilot, plus zusätzlich eingeblendete Kurvensymbole, den Kampf gegen die Uhr zu gewinnen und optimal durch die unzähligen Kurven zu kommen. Beide Hilfen sind sehr nützlich, da eine tückische Naturstrecke bekanntlich immer viele "kurvige" Überraschungen parat hält. Auch der je nach Wagentyp unterschiedliche Motoren-Sound und Kupplungsgeräusche bis hin zum Steinschlag auf unbefestigten Untergrund, lässt das erwünschte Rallye-Feeling aufkommen.
AbrechungWer die schnellste Zeit je Einzel-Rallye gefahren ist, darf jedesmal aufs Siegertreppchen steigen und kassiert 10 Punkt, für die Zweitplatzierung gibt's noch 6 Punkte, für den dritten Platz noch 4 usw. Wer am Saisonende den höchsten End-Pukte-Stand erreicht hat, darf sich Weltmeister der World Rally Championship titulieren.
+++++Nach dem neuen Colin McRae 3 (siehe Test), bekam WCR eine Abwertung im Gameplay von 9.0 auf 7.5 und Sound von 8.5 auf 7.5 und Gesamt von 8.0 auf 7.5 +++++
Ladepause! Verkündet man auf der offiziellen WRC-Seite, dass man dank neuem Entwickler-Tool besonders stolz auf den geringen Speicherplatzbedarf von WRC ist, so unverständlicher lässt einen das Game vor jeder Etappe (70 an der Zahl) über 30 Sekunden vor dem schwarzen Bildschirm sitzen. Das ergibt somit eine Gesamt-Ladepause über 35 Minuten, wenn man den WRC-Modus durchspielt.
Leider geschieht dies zu Beginn auch recht schnell, da der geübte Fahrer aufgrund des zu Anfangs nur mittleren wählbaren Schwierigkeitsgrades und fehlender Vollautomatik schlichtweg unterfordert ist und die Meisterschaft locker an einem Tag mit doppelter Punktzahl (als der Zweitplatzierte) abschließt. Erst mit dem darauf wählbaren Profi-Grad wird's anspruchsvoll. Die Geschichte mit dem rutschigen Asphalt (siehe oben) ist ebenfalls ein Patzer, den man leicht hätte vermeiden können. Leider ist auch der 2 Spieler-Modus alles andere als perfekt, er krankt an heftigsten Nebelbänken und krasser Detailarmut.
Trotzdem überwiegt der positive Gesamteindruck, da man dem Titel die investierte Arbeit spürbar anmerkt, was man - nach der überstandenen Ladepause - auch zu schätzen weiß.