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geschrieben von Andreas Wende
Hersteller: Kadokawa Shoten / ESP / Activision
Genre: Action-Adventure
System: PlayStation2, PAL-Version
Besonderheiten: Analog, Vibration, Memory Card (mind. 30 kb)
USK (ESRB): ab 12 Jahre
Spieler: 1
Testmuster von: Fachhandel
Da waren sie wieder, die schnellen Jungs von Activision: Wie schon vor einem Jahr mit Blue Stinger fürs DC schaffen sie es auch zum PS2 Launch mit Orphen ein Spiel in den Verkaufsregalen zu haben, Tage bevor die nötige Hardware gelauncht wird. Statt der neuen violetten PS2 Scheiben mußten vor lauter Tempo sogar ganz gewöhnliche Silberlinge herhalten. Schön für Raritätensammler, doch lohnt sich Orphen auch spielerisch?
Dumm gelaufen
Der faule Orphen, seines Zeichens ehemaliger Zauberer und nunmehr Geldverleiher, ist immer auf der Suche nach schnellem Geld. Diesmal vermutet er es in der Händlerstadt Arvanrama und macht sich gemeinsam mit seinem Zauberlehrling Magnus und seiner selbsternannten Partnerin Cleo auf den Weg es einzusammeln. Doch das geht gründlich schief! Nicht nur das sie an einen Kapitän geraten der sie, offenbar selbst ein Freund des schnellen Geldes, auf ein völlig falsches Schiff lockt, zu allem Überfluß gerät dieses auch noch in einen gewaltigen Sturm und sinkt schließlich sogar nach dem Angriff eines mächtigen Seeungeheuers.
Gemeinsam mit einer Handvoll Passagiere retten sich die Drei auf die mysteriöse Insel "Chaos Island" und das Abenteuer nimmt seinen Lauf. Natürlich ist es das Hauptziel der Helden, die Insel wieder zu verlassen, jedoch nicht bevor nicht diverse, mit den übrigen Gestrandeten zusammenhängende Quests abgearbeitet sind. Da wären z.B. die Tänzerin Sephy, angeblich nur unterwegs um für die Seele Ihres verschwundenen Verlobten zu beten, der junge Musiker Mar auf der Suche nach seiner Mutter, oder Söldner Zeus, der alternativ seine Tochter finden will.
Und so bewegt Ihr Euch in adventuretypischer Third Person Perspektive durch die verschiedenen, oft nicht sehr grossen 3D Locations der Insel und kämpft überwiegend mit den zahlreichen Fallen, Labyrinthen, Schalterrätseln und Geheimtüren, die Euch wesentlich zahlreicher begegnen, als irgendwelche Feinde.
Meisst lauft Ihr mit Orphen vorweg, während Eure Begleiter in sicherem Abstand folgen, immer wieder muss aber auch kurzzeitig die Kontrolle über einen der Mitstreiter übernommen werden, sei es bloss aus dramaturgischen Gründen, oder weil Held Orphen tatsächlich höchstselbst irgendwo in der Falle sitzt.
Und Fallen gibt es auf "Chaos Island" viele, tatsächlich sind sie während weiter Teile Eurer Erkundungsgänge Euer Hauptgegner. Auch wenn meisst nur wenig Gefahr für die Lebenskraft der Helden besteht, da überall Schatztruhen mit stärkendem Inhalt herumstehen, solltet Ihr dennoch stets wachsam bleiben, denn manche Falle kostet umso mehr Lebenskraft. Geht diese zu Ende, ist das Spiel unweigerlich vorbei und lediglich der letzte gespeicherte Spielstand kann Euch zumindest annähernd wieder an den Ort des Malheurs bringen. Denn gespeichert werden darf nur nach Aufforderung an bestimmten Stellen des Spiels. Immerhin ist in den seltensten Fällen die Steuerung verantwortlich, denn die ist durchdacht und gut gelungen. Lediglich die automatische Kamera kommt oft nicht schnell genug mit und muss wieder und wieder manuell justiert werden.
Kampf oder Krampf?
Begegnen Euch nach einiger Zeit dann doch endlich mal Feinde, schaltet das Spiel, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, in einen speziellen Kampfmodus um. Allein oder von den Mitstreitern flankiert steht Ihr unbeweglich dem Feind gegenüber und versucht durch geschickte Kombination von Projektilangriffen (z.B. Feuerbälle), Elementarangriffen (alle Zauber), Schwertangriff und Abwehrschild die Gegner niederzuringen.
Am wirkungsvollsten und im Falle der Zauber auch optisch am eindrucksvollsten ist es, wenn die Attacken vorher per Knopfdruck aufgeladen werden. Kassiert Euer Kämpfer in dieser Zeit jedoch selbst einen Treffer, war die Mühe vergebens. Eure Gefährten kämpfen selbständig, durch geschicktes Timing Eurer Angriffe lassen sich aber auch wirkungsvolle Kooperationsangriffe starten.
Insbesondere gegenüber größeren Feindansammlungen offenbaren sich schnell die Schwächen dieses Systems. Die Kämpfe werden hektisch und unübersichtlich, oft entscheidet da nur noch der Zufall über den Sieg. Besonders wenn Ihr Euch falsch ausgerüstet habt (es kann immer nur ein Projektil- und ein Elementarangriff gewählt werden), stirbt als erstes der Spielspaß. Dann hilft nur noch die Neuausrichtung Eurer Bewaffnung und der Kampf kann von vorne beginnen. Dieses lässt sich beliebig oft wiederholen, solange zumindest noch ein Hauch Leben in Eurem Helden ist.
Siege werden oft mit der Verleihung eines neuen Zaubers belohnt, auf jeden Fall aber mit einer der unzähigen Videosequenzen in Spielegrafik, welche das Spiel unablässig fortspinnen. Im Gegensatz zu den ebenfalls auftauchenden Anime Zeichentrickfilmen sind die Vidoes sogar so häufig, das so manches Mal schon der eigentliche Spielfluss darunter leidet. Immerhin werdet Ihr hier jedoch Zeuge des amüsanten und vielschichtigen Beziehungsgeflechts der Protagonisten, bei dem man sich oft ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Wesentlichen Anteil daran haben die engagiert klingenden Synchronsprecher, die hier einen wirklich guten Job gemacht haben, leider mal wieder nur in Englisch!
Wenig Licht, viel Schatten!
Was auf dem Backcover vollmundig als Action-RPG angepriesen wird, erweist sich rollenspieltechnisch gesehen als echte Mogelpackung! Eine Handvoll Charaktere, oberflächlich zur Party drapiert, Schatztruhen mit Items und verschiedene Zauber machen noch längst kein RPG. Wo bleiben da Erfahrungsgewinn und Charakterentwicklung? Auch die seltsamen und oft unübersichtlichen Echtzeitkämpfe ohne Bewegungsfreiheit und mit nur minimalem Angriffsrepertoire sind keineswegs rollenspieltypisch, ebensowenig wie die nette aber nutzlose, weil nicht begehbare "Oberweltkarte".
Von den Kämpfen abgesehen lässt sich Orphen wohl am ehesten mit Spielen wie Alundra 2 vergleichen. Nimmt man diesen PSone Titel als Orphens Vorgänger im Geiste an, lässt sich zumindest im Ansatz der optische Next Generation Anspruch der PS 2 zart erahnen. Ausdrücklich sollte man hiervon aber die Zeichentrickfilme ausnehmen, die genauso auf dem Vorgänger gelaufen wären und sich selbst auf der mächtigen PS2 Hardware ein gelegentliches Ruckeln nicht verkneifen können!
Wer allerdings dem Hype Glauben geschenkt und als Vergleichsmaßstab ausschließlich die technisch unterlegene DC Hardware im Blick hatte, der dürfte nach Orphen ziemlich dumm aus der Wäsche schauen. In Orphen findet sich nämlich leider nichts, was in gleicher oder sogar besserer Form nicht auch auf Segas DC möglich wäre!
Oft abwechslungsreiche, aber stark gefilterte Texturen, teilweise derart verwaschen, dass man glauben könnte, vor einem aufgemotzten N 64 zu sitzen. Immer wieder dichter Nebel, unverständlicherweise besonders innerhalb von Gebäuden, in denen zudem eins ums andere Mal ganze Wände verschwinden! Sechseckige statt runde Fässer, dürftig gestaltete Schnee- und Lavaoberflächen, erbärmlich aussehender Regen. Das Ganze noch garniert mit ständigem Bildflimmern, sowas wirkt beim besten Willen wenig Next-Generation-like! Nur tröstlich für PS2 Käufer, dass die meissten dieser Mängel klar auf das Konto der Entwickler und nicht auf das der teuren Hardware gehen. Die wenigen grafischen "Highlights" ( diverse Licht- und Wischeffekte) können all das nicht ausgleichen und sind streng betrachtet oft ohnehin nur von einer Qualität, wie sie Squresoft schon seit Jahren annähernd auf der PSone bietet.
Chips, mit denen man auch Raketen steuern kann (ROTFL), machen eben noch lang kein gutes Spiel. Das gilt nicht nur optisch, sondern in diesem Fall leider auch spielerisch! Denn auch hier hat Entwickler Kadokawa Shoten leider nichts zu bieten, was aus Orphen ein bemerkenswertes Spiel machen würde! Geboten wird durchweg reine Standardkost, routiniert aber uninspiriert werden alle Standardelemente des Genres abgespult.
Plattformhüpferein, Fallen ausweichen, Geheimtüren finden, labyrinthischen Wege und immer wieder wohlbekannte Schalter- und Verschieberätsel: Gäbe es eine Akademie für Adventureprogrammierung hätte das Entwicklerteam sicher seinen Abschluß geschafft, wenn auch nur ausreichend. In der Pflicht sehr gut, die Kür komplett ausgelassen! Schnell bleiben da Spannung und Motivation auf der Strecke, woran auch die wie gewollt und nicht gekonnt wirkenden Kämpfe rein gar nichts ändern können. Spielerisch hätte Orphen deutlich gewonnen, würde man die Gegner stattdessen, wie in den meissten Adventures üblich, verstärkt in den Gängen und Locations rumstreunend antreffen.
Um den Dreiklang perfekt zu machen, dümpeln die Abenteuer des faulen Zauberers Orphen auch storytechnisch traurig vor sich hin. Irgendwie fehlt bei all dem kleinen Hin und Her der zahlreichen Figuren auf "Chaos Island" der große Storyentwurf als Garant für Spannung und Dramatik. Sehr bedauerlich, da insbesondere auch die englischen Sprecher sicher ausdruckstechnisch noch Einiges mehr zu bieten gehabt hätten!
So jedenfalls dürfte sich die Motivation, alle drei Handlungsstränge auch wirklich durchzuspielen, eher aus dem hohen Softwarepreis, als aus der Story ergeben und das darf eigentlich nicht sein! Orphen - Scion of Sorcery: Ein durchweg mittelmässiges Spiel!
"Orphen" muß man nicht spielen - kann man aber!
In der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen, der Hunger treibts schon rein. Nachdem sich der Rauch um Sonys PS2 Hype verzogen, und sich das grösste Launch Line Up aller Zeiten als das herausgestellt hat, was es ist, ein mickriges Häufchen zur Hälfte zweitklassiger Software, möchte man mit seinem neuen DVD-Player, der nebenbei auch Spiele schluckt, ja schließlich irgendwas zocken!
Mangels Alternative wird Orphen da für die Abenteuerer unter uns zum rettenden, wenn auch sehr dünnen Strohhalm. Klar muß jedem potentiellen Orphen Begleiter aber eins sein: In nicht mal drei Monaten kräht kein Hahn mehr nach diesem Abenteuer. Falls doch, dann hat Sonys Next Generation Hardware ein echtes Problem! (aw)