geschrieben von Torsten Edelmann
Hersteller: Koei
Genre: Rundenbasiertes Strategiegame
System: PlayStation2, PAL-Version
Besonderheiten: Extrem komplexe Kampfverläufe
USK (ESRB): ab 12 Jahren
Spieler: 1-2
Testmuster von: THQ
Wir testeten für euch bereits das strategische Beat-Em-Up Dynasty Warriors 3. Doch Koei will nicht nur die actionorientierten Spieler mit chinesischer Geschichte beglücken sondern auch die Freunde tiefgründiger und komplexer Strategiespiele.
Wie auch Dynasty Warriors 3 ist Dynasty Tactics im historischen China platziert. Auch hier geht es darum als einer von drei Generälen China unter sich zu vereinigen und zum einzig wahren Herrscher zu avancieren. Das war es dann aber auch schon mit den Ähnlichkeiten, denn wo die Dynasty Warrior Serie auf actiongeladene Kämpfe setzt legt Dynasty Tactics wert auf kühles Kalkül und umsichtiges Vorausdenken.
Der Weg zum Erfolg ist steinig und im falle des antiken Chinas oftmals mit Blut gefärbt. Nachdem ihr ein neues Spiel gestartet habt werdet ihr zuerst durch ein dreiteiliges Tutorial in die grundlegenden Prinzipien des Kampfes eingewiesen. Danach geht es direkt los, glücklicherweise bekommt man aber immer wenn man auf einen neuen Aspekt des Spiels trifft zumindest eine kleine Hilfsinformation, so dass die relativ große Lernkurve gedämpft wird.
Die Kämpfe in Dynasty Tactics laufen rundenbasiert ab und drehen sich um einzelne Figuren die Gruppen von Armeen sowie deren führende Generäle repräsentieren. Mehrere solcher Einheiten bilden dann eine Armee aus und müssen ihre teilweise recht unterschiedlichen Fähigkeiten in den Kampf einbringen. Das Schlachtfeld wird als Gitter dargestellt auf dem die verschiedenen Einheiten manövrieren. Dabei kommen sehr viele Faktoren zum Tragen, so ist die Reihenfolge in der gezogen wird abhängig davon, wer die höchste Moral hat. Unterschiedliche Geländeformen wirken sich unterschiedlich auf verschiedene Einheiten aus (Kavallerie z.B. kann sehr weit auf ebener Erde kommen, hat aber Schwierigkeiten im Wald) und natürlich ist jede Armeeeinheit noch mal für sich recht unterschiedlich (Fußsoldaten sind nicht besonders stark aber gut geschützt gegen Bogenangriffe, Kavallerie ist schnell aber anfällig gegen Speere etc.)
Das alles wäre noch nichts besonderes, wenn nicht jede Einheit noch eine Funktion namens „Taktik“ hätte. Dies sind verschiedene Fähigkeiten die unter bestimmten Konditionen zum greifen kommen und viele verschiedene Effekte haben können. Sie können Werte von Freund oder Feind beeinflussen, mehrere Einheiten gleichzeitig angreifen, gegnerische Einheiten gegen deren Willen bewegen und vieles mehr. Die Taktik „Aid“ (Beistehen) z.B. ermöglicht es gemeinsam mit einer weiteren eigenen Einheit eine gegnerische Einheit anzugreifen. Allerdings müssen dafür mehrere Bedingungen zutreffen:
- Die befreundete Einheit muss neben der momentan agieren stehen.
- Die befreundete Einheit muss in die selbe Richtung sehen wie die momentan agierende
- Die befreundete Einheit muss eine gegnerische Einheit vor sich stehen haben
Treffen alle Bedingungen zu schlagen die beiden befreundeten Einheiten gemeinsam zu, was nicht nur mehr Schaden bei den Gegnern verursacht sondern gleichzeitig auch noch die Moral der befreundeten Einheit hebt, wodurch sie möglicherweise beim nächsten Zug früher dran kommt.
Doch hier hört Dynasty Tactics noch nicht auf. Durch geschicktes Positionieren der Einheiten ist es möglich mehrere solcher Taktiken miteinander zu verbinden. Wenn z.B. eine Einheit einen Gegner mit einer Taktik angreift und damit eine Situation erzeugt in der die notwendigen Bedingungen für die Taktik einer anderen Einheit entstehen, dann wird diese andere Einheit ebenfalls ihre Taktik ausführen. Somit lassen sich mehrere Taktiken zu eine Kette verbinden und werden auch als solche gewertet – zwei- oder dreiteilige Kombinationen sind verheerend und deutlich effektiver als die einzelnen Taktiken für sich selbst gewesen wären. So ist es möglich durch geschicktes Taktieren selbst mit zahlenmäßig unterlegenen Armeen doch den Sieg gegen deutlich größere Gegner zu gewinnen.
Unsere Fußsoldaten (hier mit der grünen 1 über dem Kopf) wenden die Taktik "Decoy" (Lockvogel) auf die generischen Einheit Nummer 3 an ... das wird dafür sorgen, daß unsere Einheit einen Schritt zurückgeht und die blaue Einheit ihr folgen wird, was sie direkt vor Einheit Nummer 2 bringt, die sicherlich schon eine verheerende Taktik ausgewählt hat und bereit steht, um dem Gegner in die Flanken zu fallen.
Nach den Kämpfen kehrt das Spiel auf eine Übersichtskarte zurück auf der verschiedene taktische Züge gemacht werden können. Hier bewegt man Armeen von Ort zu Ort, schickt Spione aus um die gegnerische Kampfstärke herauszufinden oder entsendet Diplomaten um Kooperationen mit anderen Kriegsherren zu schließen. Außerdem werden hier neue Generäle angeheuert, Eigenschaften geändert (z.B. andere Taktiken ausgewählt) und ähnliches. Der strategische Part des Spiels ist etwas unübersichtlich, insbesondere in späteren Phasen des Spiels wenn man eine große Anzahl von Einheiten bewegt und sich ständig versichern muss, dass alle auch dorthin gelangen wo sie hin sollen, denn leider gibt es keine „Beweg dich solange weiter bis du an deinem Ziel ankommst!“ Funktion, da man den Einheiten nur immer für die jeweilige Phase eine Order geben kann.
Auf der Übersichtskarte ziehen wir die Armeen und brechen Kriege vom Zaun.
Die Phasen des strategischen Teils setzen sich aus einer vorgegebenen Anzahl von Runden zusammen innerhalb derer man ein bestimmtes Ziel erreichen muss. Solche Vorgaben könnten z.B. sein innerhalb von sechs Zügen mit einem bestimmten gegnerischen Kriegsherr ein Treuebündnis einzugehen oder aber innerhalb der selben Anzahl von Zügen einen Krieg mit ihm vom Zaun zu brechen. Abhängig davon welchen Weg man wählt entwickelt sich die Hintergrundstory unterschiedlich und man kommt zu verschiedenen Ergebnissen, wodurch ein hoher Wiederspieleffekt entsteht, denn wer alle Enden sehen will, der muss mit jedem der drei Generäle mehrmals das Spiel durchspielen und unterschiedliche Entscheidungen treffen.
Graphisch ist Dynasty Tactics ein kleines Wechselbad. Während die Graphiken auf dem Schlachtfeld zwar nicht unbedingt aufregend aber sehr zweckmäßig sind werden einzelne heroische Aktionen (wie z.B. der geschickte Einsatz von Taktiken) mit grandiosen Cutscenes dargestellt, bei der die Armeen unter dynamischer Kamerafahrt aufeinander prallen. Mitunter sieht man sogar einen seiner Heerführer, wie er eine geschichtsschreibende Tat vollführt. Auch wenn die Story vorangetrieben wird sieht man immer wieder schön animierte Cutscenes. Der Kartenteil des Spiel hingegen wirkt ein kleines bisschen sehr simpel, da hätte man sich schon ein wenig mehr Farbenfreude gewünscht als nur das einheitliche grün/grau.
Der Sound bietet klassische chinesische Musik die während der Kämpfe gut die Dynamik zwischen den Armeen beschreibt, indem sie zu Anfang eher langsam und ruhig spielt, bei Kämpfen dann aber aufbrandet. Leider gibt es nur ein relativ kleines Repertoire von Musikstücken, weswegen man relativ schnell Wiederholungen hat, doch glücklicherweise ist keines der Musikstücke so aufdringlich, dass es groß ins Gewicht fallen würde.
Dynasty Tactics ist für Liebhaber des gepflegten rundenbasierten Strategiespiels ein absoluter Leckerbissen. Die Generäle mit ihren verschiedenen Fähigkeiten haben einen hohen Identifikationswert und je tiefer man in das Spiel eindringt desto mehr entwickelt man seine eigenen Taktiken und Vorgehensweisen. Das größte Problem für Dynasty Tactics dürfte sein, dass es eine relativ aggressive Lernkurve hat. Es ist kein Spiel welches man einfach einlegt und losspielt, man muss sich schon etwas ausführlicher mit dem zugrundeliegenden System beschäftigen um die ganzen Feinheiten zu ergründen und richtig zu nutzen.
Wer sich jedoch die Mühe macht in die Tiefen von Dynasty Tactics einzutauchen, der findet ein reichhaltiges und tiefgründiges Strategiespiel wie man sie nur selten sieht. Bravo an Koei für die Entwicklung und Bravo an THQ, dass sie auch den deutschen Spielern solche Spiele zutrauen.