geschrieben von Sascha Gläsel
Hersteller: Electronic Arts
Genre: Ego-Shooter
System: GameCube, PAL-Version
Besonderheiten: Komplett deutsch, benötigt Speicherkarte (mind. 2 Blöcke); Pierce Brosnan ist James Bond
USK (ESRB): Geeignet ab 16 Jahren
Spieler: 1 - 4
Testmuster von: eigene Anschaffung
Dingende Nachricht von M: "Hinter der Maske des angeblichen Gutmenschen und Industriegiganten Rafael Drake scheint sich ein teuflischer Verbrecher zu verstecken. Uns sind Informationen zugespielt worden, dass es bei der Entsorgung von Nuklearwaffen und Abwracken von Atomanlagen durch Drakes Phoenix International Corporation nicht mit rechten Dingen zugeht. Beschaffen sie schnellstens Informationen, die Drakes Pläne offenlegen."
Das ist natürlich mal wieder ein Auftrag nach Maß für James Bond im Geheimdienst ihrer Majestät. In den gut ein Dutzend Missionen wird er von seiner Lizenz zu Töten ausgiebig Gebrauch machen. Der Großteil der Level bietet klassische Ego-Shooter Action, in denen sich euer britischer Superagent durch gegnerverseuchtes Territorium schießt. Seine Abenteuer führen ihn dabei unter anderem in ein lauschiges Alpenschloss, ein stillgelegtes Atomkraftwerk in Japan oder ein Wolkenkratzer in Tokio - letztere Location muss gleich zwei Mal als Schauplatz herhalten. Dazu kommen Abschnitte, in denen ihr entweder hinter dem Steuer eines Aston Martin Platz nehmt oder in einem Vehikel sitzt und von dort auf gegnerische Fahrzeuge ballert.
Technische Gimmicks made by Q
Selbstverständlich verfügt Bond dank Q's Erfindungsreichtum wieder über eine Menge ausgefallener Spielereien. Neben dem Uhrenlaser setzt ihr zum Beispiel einen Enterhaken getarnt als Handy oder einen PDA mit eingebautem Dechifriergerät ein. Dazu gebietet ihr über einen Koffer, der eine schweres automatisches Maschinengewehr verbirgt und einen mit Sprengstoff versehenen Rasierapparat, dessen realer Hersteller - oh Wunder - auf der Rückseite der Anleitung eine kleine Anzeige geschaltet hat. Was James Bonds Kinostreifen in Sachen Produktplacement recht ist, kann dem Konsolenauftritt nur billig sein. Selbstverständlich ist auch der Aston Martin ein Sportwagen mit nicht serienmäßigen Extras. Verfolger werden zum Beispiel mit Rauch eingenebelt oder mit Maschinengewehr und Lenkraketen beharrkt.
Neben der Erfüllung von Missionszielen, wie die Rettung von Geiseln, das Entkommen aus gesicherten Bereichen bzw. deren Infiltration, das Fotografieren bestimmter Personen oder Gegenstände oder das Einschleusen eines Virus in ein Computersystem, heißt es in den Leveln Punkte zu scheffeln. Dabei spielen unter anderem die Schnelligkeit eures Vorgehens, die Treffergenauigkeit, die Anzahl der Abschüsse und die Restgesundheit nach Beendigung einer Mission eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Punkte, wenn ihr an bestimmten Punkten Q's Gadgets einsetzt. Für hohe Scores winken Medaillen in Bronze, Silber und Gold, die wiederum nette Sachen für den Multiplayerpart des Spieles freischalten.
Medaillen für den Agenten
Nur wer die Missionen ein zweites Mal angeht, darf sich eine Platinauszeichnung verdienen. Das geht allerdings nur, wenn ihr vorher eine Goldmedaille eingefahren habt. Dann tauchen in den Level 007 Münzen auf, die alle eingesammelt werden müssen, wollt ihr euch über Platin und damit weitere Belohnungen für den Multiplayerpart des Spieles freuen. Neben einigen neuen Spielmodi sind dies vor allem neue Arenen, Skins, Bots und Aufrüstungen für eure Waffen. Schließlich hat Bond davon wieder eine Menge im Gepäck.
Meist beginnt er eine Mission lediglich mit einer Pistole und einer Grundausstattung an Q`s Technikgimmicks im Gepäck. Schwereres Kaliber, wie eine Schrotwumme, diverse Schnellfeuer- oder Snipergewehre, Granaten oder Sprengsätze sowie ein Raketenwerfer lassen besiegte Gegner zurück oder sind in den Level selbst verborgen. Jede Waffe verfügt in der Regel über ein besonderes Extra. Dies kann ein zweiter Feuermodus sein, in dem eine andere Munitionsart oder gleich mehrere Projektile auf einmal verschossen werden, oder ein mitgelieferter Schalldämpfer zum lautlosen Einsatz.
Wo ist die kugelsichere Weste?Das Verhalten der Gegner nötigt euch schnelle Reaktionen ab. Sie kommen im Zick-Zack auf euch zu oder nehmen auch schon einmal Deckung, aus der sie euch dann unter Beschuss nehmen. Auch die schiere Anzahl von Soldaten in manchen Missionen stellt euch vor größere Probleme. Erschwerend kommen unterschiedliche Trefferzonen der Gegner hinzu. Visiert hier bevorzugt den virtuellen Kopf oder Rumpf an um mit möglichst wenigen Treffern die Bösewichter auszuschalten. Vorsicht ist angesagt, da ihr angeschlagenen Lebensenergievorrat in den Missionen nicht auffrischen könnt. Besser dran ist derjenige, der Panzerwesten aufspürt und anlegt, die den ein oder anderen Treffer abfangen.
Die Steuerung orientiert sich an gängigen Ego-Shooter Spielen. Mit den beiden analogen Sticks bewegt ihr James Bond durch die Level. Eine direkte Waffenauswahl, wie sie zum Beispiel "Perfect Dark" auf dem Nintendo 64 bot, sucht ihr in "Nightfire" vergebens. Statt dessen müßt ihr via Steuerkreuz zwischen den einzelnen Waffen und der Spezialausrüstung durchschalten. Dumm, wenn ihr gerade ein bestimmtes Accessoire benötigt und euch erst einmal durch ein halbes Dutzend anderer Sachen arbeiten müsst. Ein Action Symbol macht euch darauf aufmerksam, wenn Bond Spezialmanöver durchführen kann, wie den Einsatz seines Enterhakens oder das Herunterrutschen an einem Seil. Die Autolevel steuern sich wie ein Arcade-Rennspiel. Kein Wunder, haben doch hier die Macher der "Need for Speed" Rennspielserie ihre Finger im Spiel gehabt.
Bond Atmosphäre pur"Nightfire" transportiert eine Menge Bond Atmosphäre auf den Bildschirm. So beginnt euer Abenteuer mit einem kurzen Vorspann, der einem neuen Kinofilm mit James Bond alle Ehre machen würde. Dazu kommt ein fulminantes Intro, in dem ihr aus dem Seitenfenster eines Hubschraubers mit einem Scharfschützengewehr in eine wilde Auto-Verfolgungsjagd eingreift um einer holden Dame zu helfen. Klar, ist schließlich James Bond. Ansonsten sind alle Ingredienzien vorhanden, die die Bond Filme so interessant macht: Action rund um die Welt mit einer Menge hübscher Bond Girls, lockeren Sprüchen und den abgefahrenen Technikspielerein aus Q's Geheimlabors. Zu guter Letzt zeigt euer britischer Superspion auch noch die Gesichtszüge von Pierce Brosnan.
Technisch zeigt sich "007 Nightfire" ohne großen Fehl und Tadel. Ein 60Hz Modus fehlt zwar. Dafür ist die PAL-Anpassung aber gut gelungen. Kaum Slow-Downs oder Ruckler trüben den Spielgenuss. Wie viele andere Games, die auf mehreren Plattformen gleichzeitig erscheinen, ist die Qualität der Grafik mit überwiegend ordentlichen Texturen und zum Teil sehr detailliert in Szene gesetzten Locations gut, aber ein gutes Stück von Grafikhighlights ala "Starfox Adventures" entfernt. Für den guten Ton sorgen deutsche Synchronsprecher. Allerdings ohne die deutsche Standardstimme von Pierce Brosnan. Beim Sound dominieren die Schussgeräusche und ein paar Sprüche der Gegner. Nettes Detail am Rande: Im Kampf gegen japanische Bösewichter bekommt ihr ein wenig japanische Sprachausgabe auf die Ohren. An Musik bekommt ihr einen kleinen Nightfire Song geboten und Variationen des James Bond Themas.
Geringer Platzverbrauch beim SpeichernMitten in einer Mission zu speichern ist auch in "007 Nightfire" nicht möglich. Selbst zwischen den einzelnen Abschnitten einer der gut ein Dutzend einzelnen Aufträge dürft ihr eure Fortschritte nicht auf Memory Card bannen. Erst nach kompletter Beendigung eines Levels bekommt eure Speicherkarte ein wenig Arbeit. Mit nur zwei Blöcken ist der Platzverbrauch erfreulich gering. Mehrere Spielstände können unter verschiedenen Namen gleichzeitig verwaltet werden. Sehr nützlich für den Multiplayerpart, wenn ihr zum Beispiel unterschiedliche Steuerungsschemata bevorzugt.
Neben traditionellen Mehrspielermodi, wie Deathmatch, King-of-the-Hill und Capture-the-Flag bietet euch "007 Nightfire" noch ein paar spezielle Multiplayervarianten. Zum Beispiel einen Assault Ableger, in der ein Team ein Ziel zerstören muss während das andere es mit Zähnen und Klauen verteidigt. Oder zwei Teams balgen sich um eine Datendiskette, die es in die eigene Basis in Sicherheit zu bringen gilt bevor es die andere Mannschaft tut. Für Einzelkämpfer interessant ist das Attentat. Ein Spieler muss als Assassine einen bestimmten anderen Spieler ausschalten, was alle anderen natürlich zu verhindern suchen.
Agentenhatz mit mehreren SpielernBis zu sechs computergesteuerte Bots können in den Multiplayerpartien mitmischen. Die Auswahl an Charakteren ist zu Beginn recht klein vergrößert sich aber bei Fortschritten im Solo-Spieler-Part. Es gibt allerdings nur zwei Teams. Entweder gehört ein Bot bzw. anwählbarer Charakter dem MI6 an oder Drakes Phoenix Organisation. Das Verhalten der Bots sowie deren Geschwindigkeit, Aggressivität oder Lebensenergie kann in Grenzen variiert werden. Zudem legt ihr vor einem Gefecht fest, wie lange es dauern soll und wie viele Punkte zum Sieg nötig sind. Darüber hinaus bestimmt ihr Kleinigkeiten wie das Vorhandensein zum Beispiel kleiner ferngesteuerter Mini-Fahrzeuge oder Geschützstellungen in den Arenen oder ob Chemikalienfässer bei Beschuss explodieren sollen.
Nicht nur auf der Kinoleinwand macht Pierce Brosnan als James Bond eine gute Figur. Auch auf dem GameCube enttäuscht er nicht. "007 Nightfire" bietet knackige Ego-Shooter Kost, die durch herausfordernde Fahrsequenzen eine willkommene Auflockerung erfahren. Während der Solo-Spieler-Teil leider recht kurz ausgefallen ist - Normalspieler dürften sich im mittleren Schwierigkeitsgrad in etwas weniger als acht Stunden durchgekämpft haben - bieten die vielfältigen Mehrspielermodi auch längerfristigere Unterhaltung. Allerdings kann James Bond nicht ganz mit "Timesplitters 2" oder "Medal of Honor: Frontline" mithalten, da die beiden genannten Ego-Shooter schlicht mehr zu bieten haben, als der britische Geheimagent im Dienste ihrer Majestät und Electronic Arts. Trotzdem ist "007 Nightfire" sein Geld wert und das beileibe nicht nur für eingefleischte Bond-Fans (sag).