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geschrieben von Andreas Wende
Hersteller: ASCII / Crave Entertainment
Genre: Action-Adventure
System: PlayStation, PAL-Version
Besonderheiten: Memory Card (1 Block), Vibration Pak, 3 CDs
USK (ESRB): ab 16 Jahre
Spieler: 1
Testmuster von: Handel
Wenn in einer düsteren Zukunft ein Supercomputer die Herrschaft ergreift und die Menschheit ausrotten will und nur ein Held ihn stoppen kann, dann klingt das verdächtig nach dem Standard Plot, aus dem viele Videospiele gestrickt sind. Nicht so bei Galerians! Hier tretet Ihr der Bedrohung zur Abwechslung völlig unbewaffnet gegenüber. Ob sich die Mühe lohnt und wie hoch Eure Überlebenschancen sind erfahrt Ihr hier!
Zwei geniale Wissenschaftler haben Dorothy, einen revolutionären, selbstlernenden Supercomputer entwickelt. Bald kontrolliert Dorothy ganz Michelangelo City und fragt sich, warum sie die minderwertige Rasse namens Menschheit nicht ausrotten sollte. Man erklärt ihr,das sie den Menschen, Ihren Schöpfern zu dienen habe, so wie diese Gott, ihrem Schöpfer zu dienen hätten. Niemand hat also das Recht, seinen Schöpfer in Frage zu stellen und Dorothy beschließt, selbst Schöpferin zu werden und startet das sog. Familienprogramm. Auf das ihre Kreaturen, die Galerians gehorsam ausführen mögen, was ihr selbst verboten ist. Doch die Wissenschaftler haben längst das Vertrauen in die Beherrschbarkeit Dorothys verloren und Vorsorge getroffen. An dieser stellt kommt der junge Held Rion ins Spiel. Er erwacht gefesselt und ohne Erinnerungen im Michelangelo Hospital, das längst unter Dorothys Kontrolle steht. Mit Hilfe ihm bisher unbekannter mentaler Kräfte befreit er sich und versucht aus dem Hospital zu fliehen, um mehr über seine mysteriöse Herkunft zu erfahren.
Es dauert nicht lange, bis ihn zudem eine geheimnisvolle Mädchenstimme ruft und um Hilfe anfleht, da Dorothys Schergen hinter ihr her sind. Die stellen sich Rion schon im Krankenhaus in den Weg. Vom Wissenschaftler bis zum Wachmann versuchen alle seine Flucht zu verhindern und je erfolgloser ihr Bemühen ist umso stärkere Kräfte schickt Dorothy in die Schlacht. Rion ist unbewaffnet, aber nicht wehrlos. Mit Hilfe der Medikamente Nalcon und Red kann er mentale Angriffe gegen seine Verfolger führen, die sie wahlweise erschlagen oder verbrennen lassen, bevor er in späteren Phasen des Spiels mittels D-Felon Gegner sogar mit Anti-Gravitationsfeldern bekämpfen kann. Allerdings ist die Wirkung der jeweiligen Medikament begrenzt, sodaß Rion auch ständig auf der Suche nach weiteren Medikamenten ist, die er sich bei Bedarf selbst injizieren muß.
So mächtig Rion mit seinen Fähigkeiten auch scheinen mag, er zahlt einen hohen Preis dafür. Immer wieder werden die Anstrengungen zu viel für ihn und sein Gehirn kollabiert. In diesem Zustand des sog. "Shortens" bewegt er sich nur schleichend und sendet gewaltige Schockwellen aus, die fast jeden Feind (spätere Boßgegner sind allerdings immun) der Rion zu nahe kommt sofort töten. Leider verliert auch Rion während des "Shortens" kontinuierlich Lebensenergie, bis er schließlich stirbt. Dies kann nur verhindert werden, indem mittels Delmetor sein kritischer Zustand geheilt wird, oder aber mit einer Entmüdungskapsel seine Lebensenergie wieder aufgefrischt wird. Glücklicherweise liegen auch diese Pillen in der Welt der Galerians überall herum. Es empfiehlt sich, immer mindestens einen kompletten Satz Medikamente und Drogen mit sich zu führen. Nur so ist Rions Weg zur finalen Konfrontation mit Dorothy, der vom Hospital, über Rions Elternhaus und das heruntergekommene Babylon Hotel bis in den Pilzturm hoch über die Wolken von Michelangelo City führt, zu bewältigen.
Die Hintergründe der vier Locations, die jeweils eine sog. Phase des Spiels darstellen sind allesamt vorgerendert, könne aber nicht im Geringsten mit den detailreichen, fast liebevollen Backgrounds des Konkurrenten "RE 3: Nemesis" mithalten. Es mag ja noch angehen, daß ein, von einem unmenschlichen Supercomputer beherrschtes Hospital kalt und steril aussieht. Wenn aber die weitläufigen Flure in Rions herrschaftlichem Elternhaus genauso kalt und steril aussehen, dann haben sich die Coder das Prädikat lieblos redlich verdient. Auch die Figuren hätten einen etwas höheren Polygoncount vertragen. Läuft Rion einen langen Gang entlang und entfernt sich dabei immer mehr vom Betrachter zerfranst er regelrecht. Auf der Habenseite steht demgegenüber eine Unmenge (laut Crave Entertainment ca. 70 Minuten) sehr guter, wenn auch nicht hochklassiger FMVs, mit deren Hilfe die interessante und gute Story unaufhaltsam bis zum überraschenden Finale getrieben wird.
Freigespielte FMVs können übrigens mit der Option Filmvorschau jederzeit erneut angesehen werden. Speziell für Freunde der Renderfilmchen ein dicker Pluspunkt! Soundtechnisch liegt das Game dagegen leider fast immer voll daneben. Es ist einfach albern, kurzzeitig dramatische Musik einzuspielen, die den Adrenalinpegel des Spielers genau dann hebt, wenn garantiert keine Feinde in der Nähe sind. Kaum das man gemerkt hat, daß sich trotz entsprechendem Sound überhaupt nichts tut und entäuscht durch die nächste Tür geht, ist die Musik auch schon wieder in einer der ärgerlich langen Ladepausen verschwunden und es geht lautlos weiter. Es hat den Anschein, als sei der Sinn musikalischer Untermalung zur Schaffung der entsprechenden Atmosphäre allenfalls ansatzweise verstanden worden! Oft sieht es eher so aus, als sollte auf diese Weise zumindest kurzfristig über das in Teilen mangelhafte, oft spannungsarme Gameplay hinweggetäuscht werden.
Tatsächlich gibt es Einiges in Sachen Gameplay, über das hinwegzutäuschen die Entwickler Grund hätten. Drei wesentliche Grundlagen jedes Action-Adventures lauten: Suche nach Gegenständen und Informationen; Benutze und kombiniere Gegenstände und Informationen; Besiege bzw. überlebe deine Feinde. In allen drei Disziplinen zeigt sich Galerians deutlich zu schwach, um im Oberhaus der Action-Adventures mitspielen zu dürfen:
1. Gegenstände und Informationen suchen
Der Großteil der zu findenden Gegenstände ist unsichtbar! Also heißt es sich auf gut Glück wild durch jeden Raum zu klicken, ohne zu wissen, ob es sich überhaupt lohnt. Leicht kann man etwas übersehen, wenn man keinerlei Ansatzpunkte hat, wo man was suchen soll. So kann man sicherlich die Spielzeit, kaum aber den Spielspaß erhöhen!
2. Gegenstände und Informationen nutzen
Die Benutzung von Gegenständen nichtmedikamentöser Art verläuft streckenweise ausschließlich nach dem Motto: Such Schlüssel A und schließ Tür A auf. Such dann Schlüssel B und öffne Türe B, bevor Du mit Schlüssel C...usw. Gepflegte Langeweile macht sich breit, an der auch die Benutzung von Informationen, sprich das Lösen von Rätseln nichts mehr ändern kann. Deren Niveau bewegt sich nämlich weitestgehend unterhalb der Teppichkante. Ja, diese Stellen überhaupt "Rätsel" zu nennen ist fast schon ein Hohn. Simple Kombinationsspielereien oder per Scan-Fähigkeit erhaltene Hinweise machen die Lösung zum Kinderspiel. Wenigstens eine anspruchsvolle Kopfnuß? Fehlanzeige!
3. Besiegen bzw. Überleben von Gegnern
Einen großen Teil des Spiels über ist Rions Überleben absolut gesichert. Denn wo keine Feinde sind, da ist höchstens dramatische Musik, aber keine Gefahr. Wenn allerdings feinde auftauchen wird es schnell unausgewogen.Einzelne, aber auch die meißten der paarweise auftretenden Feinde, lassen sich relativ leicht besiegen.
Genausogut gibt es aber einige Situationen in denen Rion plötzlich auf drei Gegner trifft und damit schon tot ist, bevor er es überhaupt weiß (z.B. Babylon Hotel, Zimmer 305). Diese Situationen sind ohne "Shorten" realistisch nicht zu überleben. Nur weiß der Spieler, wenn er nicht gerade eine Komplettlösung auf dem Schoß liegen hat, wann es soweit ist. Da wird die ganze Sache zum Glückspiel oder man joggt lange genug auf dem Flur herum, um Rions Ärgerpegel entsprechend zu erhöhen, bis er wieder "Shorten" kann. So kann man sicherlich die Spielzeit, nicht aber den Spielspaß... Sorry, den Satz kennt Ihr ja schon. Gleiches gilt übrigens auch für die Boßgegner, auch hier sind die Kämpfe bedauerlich unausgewogen.
Kann man Dr. Lem, den ersten Boß noch so schnell wegshorten, daß Ihr ihn unter Umständen nicht(!) mal zu sehen bekommt, weil das Programm sofort die nächste Videosequenz startet, umso härter sind spätere Gegner, z.B. die fast schon unfaire Galerian Rita. Zu dumm das ausgerechnet Dorothy, der finale Boßgegner wieder entäuschend leicht zu besiegen ist. Sollte der letzte Kampf nicht die Krönung eines Games sein?
Vor den endgültigen Totalveriß von galerians haben die Entwickler zum Glück auch einige positive Aspekte gesetzt. Das Spiel mit den Medikamenten und mentalen Kräften ist innovativ und verlangt aufgrund der Nebenwirkungen fast schon taktischen Umgang damit. Selbst das selbstmörderische "Shorten" kann zum Schlüssel fürs Überleben werden. Einen weiteren Pluspunkt verdient die inhaltlich gute und mittel guter FMVs ebenso präsentierte Story. Allerdings, auch das muß gesagt werden, hätte das Thema spielerisch deutlich mehr hergegeben. Positiv auch das Urteil über die Steuerung. Obwohl auf den ersten Blick äußerst komplex (alle Buttons, bis hin zur Select-Taste sind belegt) läßt sie sich nach kurzer Einspielzeit fast intuitiv beherrschen. Gesteuert wird wahlweise analog und digital, beides sauber und akkurat.
Auch die Rumble-Funktion wird unterstützt, erinnert aber unselig an den schlechten Soundeinsatz. Hier könnte das Motto lauten: "Wir können es rumblen lassen, also tun wir es auch! Und wenn wir auch nicht wissen, wann dieses Feature sinnvoll wäre, Hauptsache wir haben gezeigt das wir es können. Außerdem bekommen wir dann dieses tolle Icon auf der Rückseite der Spielepackung...".
Alles in allem ist den Codern von Galerians das fragwürdige Kunststück gelungen, wenig richtig falsch und noch weniger wirklich richtig zu machen. Nur dank Innovationsbonus und guter Story reicht es gerade noch zum knapp überdurchschnittlichen Spiel. Keine spielerische Vollwertkost, eher ein schneller Snack für zwischendurch, doch auch der kann ja bei Gelegenheit ganz schmackhaft sein!
Schade! Da tüftelt man ein innovatives Konzept aus, angereichert mit einem Mix aus interessanten Themen (Drogenmißbrauch, Menschenexperimente, Computer außer Kontrolle) und versaut das Ganze mit handwerklichen Schwächen und dem unausgewogenen Gameplay.
Versteht mich nicht falsch: Galerians hat mir Spaß gemacht, aber meine Hoffnungen und Erwartungen wurden nicht mal im Ansatz erfüllt. Und wie Crave mit 50 Stunden Spielspaß werben kann für ein Spiel, das erfahrene Spieler in lockeren 6 Stunden durchspielen, ist mir ein Rätsel. Beim nächsten Mal geht es ja bekanntlich schneller, um auf 50 Stunden zu kommen, müßte man Galerians mindestens zehnmal durchzocken. Dumm nur, daß mangels Motivation kaum einer das Spiel ein zweites Mal in die Konsole werfen wird! (aw)