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geschrieben von Andreas Wende
Hersteller: Bizarre Creations
Genre: Rennspiel
System: Dreamcast, PAL-Version
Besonderheiten: VMU, VGA, Vibration Pack und Race Controller kompatibel, 60hz-Option
USK (ESRB): ohne Altersbeschränkung
Spieler: 1-2
Testmuster von: Fachhandel
Über ein Jahr ist es jetzt her, dass "Metropolis Street Racer" als Launchtitel die Einführung von Segas neuer Konsole Dreamcast unterstützen sollte. Bekanntlich kam es anders, auf jede Verschiebung folgte die nächste. Dazu noch enttäuschende Previews und schon sah manch einer das ambitionierte "Metropolis Street Racer" schon vor Erscheinen als erledigt an. Wie sehr man sich doch täuschen kann...
Eine Frage der Ehre
Rennen gewinnen kann jeder, dabei auch noch gut aussehen zu müssen, ist dagegen eher ungewöhnlich. Doch genau darum geht es bei Metropolis Street Racer, oder um einen Werbetext zu zitieren: Es ist nicht so wichtig, wie schnell Du fährst! Wichtig ist, wie Du schnell fährst!
Als aufgehender Stern am Himmel der internationalen und illegalen Street Race Szene solltet Ihr um Eurer Credibility willen zwar schnell fahren, gleichzeitig aber auch richtig was fürs Auge bieten, z.B. spektakuläre Drifts oder tolle Überholmanöver. Am Ende Eurer jeweiligen Darbietung kassiert Ihr dann den hoffentlich wohlverdienten Respekt in Form sogenannter Kudos Punkte (Kudos = griechisch für Respekt, Anerkennung, Ehrbezeugung) und schaltet damit immer neue Herausforderungen frei. Für Fahrfehler, Rempler und unfaire Aktionen werdet Ihr selbstverständlich vorher mit Punktabzug bestraft!
Dummerweise startet Ihr als Greenhorn Eure Karriere erstmal mit null Punkten und null Autos. Doch was Euch an Erfahrung auch fehlen mag, immerhin bringt Ihr zu Spielbeginn schon ganze drei leere Garagenplätze mit (von insgesamt maximal sechs), in denen Euer künftiger Fuhrpark unterkommen soll. Doch aufgepasst: Wer zu Beginn des Spiels, seine drei mageren Parkplätze vor Augen, auch gleich alle verfügbaren Fahrzeuge (ebenfalls nur drei) durch Schlagen des jeweiligen Zeitlimits in Besitz nehmen will, könnte das später bereuen! Da Parkplätze knapp sind und die ersten drei Wagen (MG, Fiat, Mazda) mangels Power Euer Überleben im Street Race nicht sehr lange sichern können, steht sehr schnell der erste Wagenwechsel an, und der kostet immerhin zehn Prozent der mit dem abgelegten Fahrzeug eingefahrenen Kudos Punkte!
Zum Glück gehen immer nur die jeweiligen Punkte, nicht aber die freigeschalteten Strecken verloren, von denen es ohnehin überreichlich freizufahren gibt. Im Street Race, dem Herzstück von MSR, warten sage und schreibe 250 verschiedene Strecken mit den unterschiedlichsten Rennen bzw. Aufgaben auf Euch, sowas gabs noch nie! Der Streckenbau funktioniert dabei ähnlich wie bei Namcos Ridge Racer Serie, nämlich durch den Ausbau vorhandener Strecken, bzw. die Neugestaltung des Rennverlaufs durch anders gesetzte Absperrungen. Mehrere Quadratkilometer grosse Stadtgebiete bieten aber genügend Raum, um dies spielspassverträglich in Szene zu setzen, niemand wird das Gefühl haben, eigentlich immer auf der selben Strecke unterwegs zu sein!
Eingeteilt ist das Ganze in 25 sogenannte Chapter zu je zehn Rennen, die allesamt erfolgreich absolviert werden sollten, um am Ende einen neuen Wagen für den Showroom freizuschalten. Anders als in vielen anderen Spielen des Genres, ist es aber nicht nötig, sich immer streng an die Reihenfolge zu halten, eine scheinbar unlösbare Aufgabe darf getrost übersprungen werden, was den Frustfaktor erfreulich niedrig hält.
Und im jeweiligen Moment scheinbar unlösbare Aufgaben werden Euch immer wieder begegnen, denn bei der Vielfalt der Aufgaben wird jeder seine ganz persönliche Haß-Herausforderung schnell finden!
Wenig Probleme dürfte es in den sog. Hotlaps und den Timed Runs geben, in denen entweder eine vorgegebene Zeit geschlagen werden, oder eine bestimmte Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht werden muss. Schwieriger gestaltet sich da schon so manche Challenge. Hier müsst Ihr in vorgegebener Zeit z.B. eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit erreichen, oder eine bestimmte Anzahl von Autos überholen, um siegreich zu sein. Wer nicht schummelt (Auflösung am Ende des Tests!) findet seinen Meister vielleicht beim One on One Rennen, wo Ihr nur gegen einen Gegner antreten, diesen aber auch unbedingt schlagen müsst. Anders in den Street Races (Einzelrennen gegen drei bis fünf Gegner) oder den Championship Serien. Dort reicht es aus, eine vorgegebene Platzierung zu erreichen, was die guten CPU-Gegner um jeden Preis verhindern wollen.
Die darf übrigens vor jedem Rennen, genau wie die Zeitlimits auch von Euch nach unten gesetzt werden, um durch realistisches Einschätzen Eures Könnens mehr Skill Punkte abzugreifen. Doch Vorsicht: Wer zu optimistisch ist, kann auch leicht Minuspunkte anhäufen, die sich sogar noch verdoppeln, wenn Ihr siegessicher noch einen Joker draufgelegt habt, um Eure Punkteausbeute zu erhöhen. Joker erhaltet Ihr in sog. Special Races, in denen z.B. auch andere Fahrzeuge (z.B ein prima elektrischer Rasenmäher zur Benutzung in Time Attack und Quick Race) ebenso freigespielt werden können, wie neue Garagenplätze und sogar Cheats!
Übrigens darf jedes Rennen beliebig oft gefahren werden, allerdings zählen immer nur die im letzten Rennen erzielten Kudos Punkte! Es will also jedesmal gut überlegt sein, ob sich das Risiko überhaupt lohnt, vor allem, wenn man auf Punktejagd ist, um sich mit seinem Score in der Dreamarena verewigen zu wollen.
Damit Euch auf den zahlreichen Strecken, die Ihr allein befahren müsst, nicht zu langweilig wird, dürft Ihr zum späteren Gebrauch Ghost Cars speichern, bzw. die anderer Spieler aus der Dreamarena herunterladen.
Traumstädte
Realitätsgetreu nachgebildete Strecken sind in Videogames keine Seltenheit, man denke nur an die zahlreichen Formel 1 Titel, oder aktuell auch wieder an die berühmte Strecke von Le Mans. Der Realität identisch nachgebildete Städte bzw. Stadtteile suchte man dagegen, von Driver bis GTA, bisher vergebens. Mit Metropolis Street Racer ist diese Beschränkung jetzt endlich gefallen, denn die Entwickler haben nicht weniger als drei Städte - London, San Francisco und Tokio- mit je drei Stadtteilen originalgetreu digital wiederauferstehen lassen.
Mehrere zehntausend Fotos und rund vierzig Stunden Videomaterial waren nötig, um dieses Projekt, sicherlich eines der aufwendigsten und ambitionierten in der Videospielgeschichte, zu verwirklichen. Und die Mühe hat sich gelohnt! Ob Picadilly Circus oder Trafalgar Square, Berg- und Talfahrten in den Strassen von San Francisco (Pacific Heights) oder das gleissende Neonmeer in der Tokioter Nacht: Jedes Haus, jede Strassenecke sieht so authentisch aus, dass man sie wohl mühelos vor Ort wiederfinden würde. Denn Quadratkilometer um Quadratkilometer wurden die drei Weltstädte mit unglaublich detailierten und bei jeder Geschwindigkeit fehlerlosen Texturen belegt.
Auch die uneingeschränkte Weitsicht und der Blick nach oben zeigen, wie gut Bizarre Creations die Hardware Power des Dreamcast genutzt haben. In den MSR Städten taucht Nebel definitiv nur noch gewollt als stilistisches Mittel auf, genauso vorbildlich in Szene gesetzt, wie die übrigen Wetterverhältnisse oder der ausgekügelte Tages- und Nachtzyklus. Denn dank der DC-internen Systemuhr findet Ihr, von Eurer Zeitzone ausgehend, alle Städte immer in der dort tatsächlich herrschenden Zeit vor! Hier sollte man auf jeden Fall immer Tag und Nacht ausprobieren, denn z.B. Tokio bei Nacht oder bei Tag, das ist ein himmelweiter Unterschied!
Alles in allem ein grafisches Erlebnis, dass fast schon viel zu schnell in den Rennen am Spieler vorbeisaust und die grafische Meßlatte für die Hauptdarsteller, rund 50 lizensierte Fahrzeuge aus aller Welt, entsprechend hochlegt!
Grenzenloser Fahrspaß
Doch auch bei der digitalen Umsetzung der fahrbaren Luxusuntersätze hat das Bizarre Team ganze Arbeit geleistet. Ob Fiat Barchetta, Renault Spider oder Audi TT - alle Wagen sind mit bis zu 4000 Polygonen aufwendig und ohne ungewollte Ecken, Kanten und Treppchen modelliert worden und bewege sich allzeit flüssig über den virtuellen Asphalt. Als wäre das noch nicht genug, nimmt an dieser Stelle die Detailbesessenheit der Entwickler schon fast krankhafte Züge an. So erkennt man je nach Fahrzeug nicht nur Details des Innenlebens, sondern darf auch ausgiebig seinem virtuellen Alter Ego beim Schalten und Lenken zusehen.
Apropos Schalten und Lenken: Was nützt die schönste Optik, wenn das Fahrgefühl der ganzen Sache nicht gerecht wird? Immerhin sieht sich Sega trotz F 355 zunehmender Kritik bezüglich des zu arcadelastigen DC Spiele Line Ups ausgesetzt, ein gefährlicher Vorwurf in unseren simulationslastigen Zeiten. Doch auch bei Bizarre Creations fühlte man sich nicht berufen diesen Vorwurf wirklich zu entkräften und so ist MSR weder reine Arcade noch echte Simulation. Stattdessen dreht sich nun eine äusserst gelungene, weil spielspassfördernde Mischung aus beiden Richtungen im DC Laufwerk.
So realistisch wie nötig und arcadelike wie möglich sausen die Flitzer durch die Metropolen und driften halsbrecherisch noch um die schärfste Strassenecke, und das fast allzeit flüssig. Lediglich wenn Ihr mitten im Sechserpack in eine Kurve fliegt, kommt es gelegentlich zu minimalsten SlowDowns, die man im Eifer des Gefechts kaum wahrnehmen wird.
Schon nach kurzer Eingewöhnung können sich Anfänger wie Profis im Kampf mit der guten Gegner KI ganz der Jagd nach Punkten, Platzierungen und Zeitlimits hingeben, weil die einfache und direkte Steuerung wirklich jedermann leicht von der Hand geht.
Allerdings muss sich der MSR Spieler während der 250 Street Races mehrfach umgewöhnen, schliesslich unterscheiden sich alle Fahrzeuge simulationsmässig deutlich im Handling, auch wenn gleichzeitig arcadetypisch auf jegliche Tuningoption verzichtet wurde. Knackige Gegner und Fahrspaß pur: Beim Metropolis Street Racer stimmen zum Glück nicht nur Umfang und Optik!
Da gibts was auf die Ohren
Soundtracks von Videospielen begeistern seit langem, zumindest den harten Kern der Zockergemeinde. Doch auch wenn die Zahl der Videospieler in den letzten Jahren drastisch gewachsen ist, für die Charts reichts in der Regel noch lange nicht. Mit MSR könnte das anders werden, denn Bizarre Creations Vorzeige Racer überzeugt nicht nur durch seine satten Motorensounds und ausgiebig quitschende Reifen, auch der glasklare Soundtrack setzt neue Maßstäbe.
So wurden über 25, durchweg charttaugliche Tracks (Rock, Pop, Jazz, Dance) auf den Silberling gepackt, einige mit echter Ohrwurmqualität und garantiert radiotauglich! Garantiert deshalb, weil Ihr Euch nicht nur von Eurem virtuellen Car-CD Player beschallen lassen, sondern wahlweise auch das Radio einschalten dürft. Denn die Detailbesessenheit der Briten machte weder vor Asphalt noch vor Äther halt und so spendierten sie jeder der drei Metropolen auch gleich mehrere, frei anwählbare Radiostationen! Die decken die unterschiedlichen Musikrichtungen ab, haben aber genausogut auch Werbungen und Moderation im Programm und das alles stilecht, bis hin zum unverständlichen japanischen Kauderwelsch der Tokioter Stationen.
Absolut authentisch auch der Empfang: Fahrt Ihr durch Tunnels oder ist das Wetter sehr schlecht, rauscht es aus den Boxen und Ihr werft schnell wieder den CD-Player an. Abwechslungsreiche und glasklare Sounds, sehr gute Geräusche vom Motor bis zu den Reifen: Mit MSR haben die Jungs von Bizarre Creations nicht nur einen extrem hochklassigen Racer, sondern gleich noch die vorläufige, genre- und konsolenübergreifende Soundtrackreferenz ins DC Laufwerk gepackt!
Genial und doch nicht ganz perfekt
Rennspielfreunde die sich ein wenig vom althergebrachten "Sechs Wagen stehen am Start und los gehts" lösen können (es gibt natürlich auch genug Rennen dieser Art in MSR), für die ist Metropolis Street Racer eine einzige Offenbarung, wenn auch mit kleinen Schönheitsfehlern. So wirken die unglaublich aufwendig und detailgetreu in Szene gesetzten Städte zwar nicht direkt steril, aber doch etwas zu unbelebt. Mehr Verkehr auf den Strassen und Passanten auf den Gehsteigen hätten hier Wunder gewirkt, waren aber wohl zumindest was die Passanten betrifft wahrscheinlich technisch (noch) nicht machbar.
Was aber auf jeden Fall machbar gewesen wäre, sind umfangreiche Replays! Ähnlich wie schon bei Virtua Tennis scheint es mir geradezu unverzeihlich, keine vernünftige Replayfunktion zu implementieren. Was für ein Fest fürs Auge steckt in diesen Rennen, die wenigen Sekunden Video am Ende jedes Rennens lassen immerhin erahnen, was uns dadurch entgeht!
Aber auch das überaus überzeugende Gameplay bietet noch Anlass zu zumindest leiser Kritik. So wird der Spieler z.B. immer wieder mit Penalties bestraft, obwohl tatsächlich einer der CPU-Fahrer den Kontakt zu verantworten hat. Ärgerlich wenn bei ansonsten fehlerfreier Fahrt auf diese Weise der "No Penalties"- Bonus verloren geht.
Schwächen gibt es auch in der Balance der Wertungskriterien Skills und Style.
Eindeutig zu stark untergewichtet spielen die Skills, also das eigentliche Fahrkönnen faktisch nur eine untergeordnete Rolle. Denn selbst wer die Zeit-, Punkte- und Platzierungsvorgaben drastisch senkt und damit das Risiko zu verlieren deutlich größer wird, erhält nicht annähernd die Kudos Punkte, die bei exzessivem Einsatz der Handbremse als Style verbucht werden dürfen.
Was daraus schlimmsten Falls folgt, dürfte nicht im Sinne der Erfinder sein! So zahlt es sich in den One on One Rennen meist üppig aus, sich selbst die maximal möglichen sechzig Sekunden Vorsprung zu geben, einen Joker draufzulegen und erst mal unbeschwert je nach Kurs eine, zwei oder gar drei Runden um die Kurven zu driften, bevor der unter diesen Umständen völlig chancenlose Gegner endlich startet.
Natürlich gibts für diese Warmduscher Einstellung keine Skill Punkte, aber 1000 und mehr Kudos für den Style sind so allemal drin. Bedenkt man, das fast jedes Chapter ein bis zwei One on One Rennen enthält, läßt sich mit diesem Trick schnell die Hälfte der Punkte zusammenfahren, die man zur Freischaltung des 25zigsten und letzten Chapters braucht.
Besonders heftig wird es dann in ebendiesem letzten Kapitel, denn das bietet sage und schreibe neun One on One-Rennen. Da diese nicht auf einer, sondern nacheinander auf drei Strecken ausgetragen werden und der am Ende jeden Rennens vorhandene Vorsprung auf den des nächsten Rennens aufaddiert wird, kommt es vor, dass Euer Kontrahent im dritten Rennen noch nicht mal mehr losfahren kann! Da kann man nur froh sein, dass in MSR viele der fünfzig Fahrzeuge und ein Großteil der Strecken für den Time Attack Modus nicht durch Kudos Punkte, sondern durch Erfolge in den Rennen freigespielt werden müssen! Was macht es da schon aus, wenn der eine oder andere Depp sich ganz auf billig bis zum Textabspann von MSR (etwas zu dürftig für ein Spiel dieser Klasse!) vormogelt und so wenigstens die Hälfte dieses Renn- und Videospieltraum verpasst?
Echte Racing-Fans werden sowieso nicht eher ruhen, bis sie den letzten Winkel der drei Weltstädte erkundet haben!
Das Leben kann so grausam sein: Da starrt die Masse der Spieler auf den PS2-Launch wie das Kaninchen auf die Schlange und verpasst derweil das Rennspiel Highlight des Jahres!
Das Traurigste daran ist wohl, dass für jedes MSR das über irgendeine Ladentheke geht, zehn Ridge Racer V verkauft werden, obwohl es sich spielerisch klar geschlagen geben muß. Auch wenn es die PS 2 Lobby nicht gerne hört: Wenn bei RR5 mit seiner Handvoll Strecken lange die Luft raus ist, legt MSR erst richtig los!
25 innovative, spielerisch und soundtechnisch hervorragende Chapter mit 250 verschiedenen Rennen und Aufgaben rauben dem Racingfan nächtelang den Schlaf, und das im Gegensatz zur Konkurrenz noch dazu für unter hundert Mark! Wer MSR links liegen läßt, verpasst ein Stück Rennspielgeschichte! (aw)