geschrieben von Philipp Arnold
Hersteller: Microsoft Game Studios
Genre: Tennis
System: Xbox, PAL-Version
Besonderheiten: Unterstützt Xbox Live!, komplett Deutsch
USK (ESRB): ohne Altersbeschränkung
Spieler: 1-4
Testmuster von: Microsoft
Spricht man von Konsolentennis, denkt man sofort an die Virtua Tennis-Serie von Sega, die bis heute unangefochten die Nummer 1 auf dem Court ist. Doch mit Top Spin für die Xbox kommt ein viel versprechender Kandidat, der durchaus das Zeug hat, Segas Filzballjagd in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken. Im Test könnt ihr erfahren, ob der Newcomer gelungen ist die neue Nr.1 zu werden.
Virtua Tennis als Grundlage
Der spielerische Vergleich mit Virtua Tennis (VT) wird in diesem Test häufig fallen. Denn zum einen ist Segas Tennis nun einmal das Maß aller Dinge und zum anderen gibt es zahlreiche Punkte, in denen sich Top Spin an der bislang unangefochtenen Tennis-Referenz orientiert. Nehmen wir beispielsweise den Hauptspielmodus Karriere, der die typischen Freundschaftsspiele ergänzt: Wie bei VT startet ihr mit eurem selbst erstellten Spieler (oder der Spielerin) ganz unten in der Rangliste und müsst euch durch Turniere auf der ganzen Welt nach oben arbeiten. Und wie bei Segas Vorzeigetennis gibt es Trainingseinheiten. Doch im Gegensatz zu VT hat das Training einen weitaus höheren Stellenwert. Denn eure Figur verfügt anfänglich nur über rudimentäre Fähigkeiten. Ihr habt allerdings insgesamt 14 Sterne zur Verfügung, die ihr auf vier Fähigkeiten (Aufschlag, Rückhand, Vorhand, Volley) verteilen könnt. Weltweit gibt es jedoch Trainer, die für eine entsprechende Übungslektion in der jeweiligen Disziplin bare Münze sehen wollen. Und dass es eine Menge Schotter kostet, um eine der Eigenschaften auf den 5-Sterne-Goldstatus zu bringen, versteht sich von selbst. Da ihr mit den 14 zur Verfügung stehenden Sternen nicht alle Eigenschaften auf Gold bringen könnt, müsst ihr euch schon früh entscheiden, ob ihr eher einen durchschnittlichen Spieler erstellen wollt bzw. auf welche Gebiete ihr euch spezialisieren wollt - zumal die Unterschiede deutlich in den Matches spürbar sind. Zusätzlich bekommt ihr noch in Intervallen die Möglichkeit, insgesamt vier besondere Eigenschaften zu wählen. Dadurch könnt ihr vorhandene Stärken weiter ausbauen oder durch die Auswahl auftretende Schwächen kompensieren. Seid ihr z.B. beim Aufschlag eher schwach, ist es ratsam, sich die Eigenschaft Geschwindigkeit zu geben, um die Returns schneller erlaufen zu können.
Verschenkte Chancen die 100ste Wie jedes andere Game ist auch Top Spin nicht perfekt. So motivierend es anfangs für Einzelspieler auch ist, sich durch kleinere, größere und Grand-Slam-Turniere zu kämpfen und Preisgelder zu erspielen, so wenig werden die sich anbietenden Chancen auf lange Sicht genutzt. Zusammen mit der Möglichkeit, seinem Sponsor durch zusätzliche Aufgaben Geld aus der Tasche zu ziehen, hat man mit den Siegprämien schnell das nötige Kleingeld zusammen, um seinem Spieler das im Endeffekt viel zu leichte Training für alle 14 Sterne zu ermöglichen. Und dann? Dann ist man eigentlich nur noch dabei, seinen Trophäenschrank zu füllen bzw. das Geld für neue Ausrüstungsgegenstände oder Outfits auszugeben. Und hier hat man schon wieder eine Chance vergeben: Denn egal, ob neue Schuhe oder ein neues Racket - alles ist nur kosmetischer Natur und hat keinerlei Einfluss auf eure Fähigkeiten.
Große Schlagvielfalt Beschränkte sich Virtua Tennis auf gerade mal zwei Knöpfe und die Richtungsvorgabe des Sticks, um seine Bälle zu setzen, wird bei Top Spin das ganze Pad genutzt. Mit dem Ergebnis, dass euch auf dem Platz ein wahres Arsenal an Schlagvarianten zur Verfügung steht, um den Gegner (egal ob menschlich oder gut agierende KI) in Grund und Boden zu spielen. Es gibt jeweils eine Taste für Lob, Top Spin, Backspin und einen normalen Schlag.Zusammen mit der Richtung des Sticks könnt Ihr wie bei VT eine grobe Richtung vorgeben, in die der Ball geschlagen werden soll. Abhängig von Eurer Position zum Ball und der Zeit, die Ihr zum Ausholen habt, ergibt sich die Stärke, mit der die Filzkugel übers Netz gedroschen wird. So ergeben sich schnell abwechslungsreiche und sehr dynamische Ballwechsel, die durchaus denen aus VT ebenbürtig sind. Allerdings reagieren die Figuren deutlich träger als bei Virtua Tennis, so dass sich hart gesottene Fans von Segas Tennis-Serie vermutlich kopfschüttelnd abwenden. Auch die Stopp-Bälle sind nur mit einem kontrollierten Druck auf die L-Taste zu erreichen und somit deutlich schwieriger zu setzen als bei VT. Doch auch diese beiden kleineren Mankos verhindern nicht, dass die Spieldynamik und Abwechslung weit über das hinausgeht, was man von Sega kennt und immer wieder für Begeisterung sorgt. Doch auch, wenn in Sachen Ballphysik und Trägheit der Spieler viel Simulation einfließt, ist auch ein bisschen Arcade in den Ballwechseln zu finden. Mit der R-Taste könnt ihr bei gutem Timing einen besonders vernichtenden Schlag landen, bei dem der Gegner massive Schwierigkeiten mit der Rückgabe hat.
Optischer Hochgenuss?Der größte grafische Schwachpunkt von Top Spin ist die spröde und nahezu langweilige Präsentation. Zwar sind die Menüs übersichtlich, doch im Endeffekt bleibt der Eindruck, dass eine grafische Einstimmung vor den Matches zu Gunsten einer schlichten Benutzerführung geopfert wurde. Ganz anders verhält es sich jedoch mit den Spielermodellen. Aufwändig und lebensnah modelliert sowie mit vielfältigen verdammt gut aussehenden Animationsstufen versehen, da schlägt jedes Zockerhertz höher! Das geht sogar so weit, dass bei den "Attitude"-Einblendungen deutlich die Änderungen in der Gesichtsmimik zu sehen sind - klasse! Auch die zahlreichen Tennisplätze sind durch die Bank sehenswert. Egal, ob offene Stadien, Hallen oder die Traningsplätze - alles wirkt wie aus einem Guss. Kleine Feinheiten wie Spuren, die rutschende Spieler auf Sandplätzen hinterlassen, und die im TV-Stil arrangierten Zeitlupen mit Splitscreen-Technik sorgen ebenfalls für Stimmung und zeigen, mit wie viel Sorgfalt die Grafiker zu Werke gegangen sind. Doch es ist nicht alles so optimal in Szene gesetzt wie die Spieler. Schieds- und Linienrichter wurden weniger detailliert gestaltet und wirken neben den Spielern einfach nur fade. Dazu kommt noch, dass sich die Linienrichter nicht einmal ansatzweise bewegen, wenn ihnen der Ball nach einem gepfefferten Aufschlag gefährlich nahe kommt. Hier beraubt sich das Spiel wieder ein wenig der Stimmung, die auch durch die nette, aber im Endeffekt nur durchschnittliche Zuschauerkulisse entsteht. Doch bei den Ballwechseln stimmt einfach alles - und letzten Endes stehen die ja auch im gut inszenierten Mittelpunkt.
MultiplayerWomit wir beim nächsten Punkt sind. Denn was man im Einzelspielermodus etwas vermisst -Langzeitmotivation- wird in Mehrspieler-Duellen mehr als genug abgeliefert. Egal ob Einzelmatches oder Doppel: ein Spiel jagt das andere und Dynamik und Spannung geraten in ungeahnte Höhen.
Und wie es sich für ein XSN-Sportspiel gehört, sorgt die Xbox Live-Anbindung inklusive Weltrangliste und Statistiken für den letzten Kick. Hier könnte auch eine Erklärung für das schnell und leicht zu erledigende Training liegen: Natürlich macht es online nur Spaß, wenn man mit einem voll ausgerüsteten Spieler gegen einen Gegner antritt.
Annmerkung: Die Bewertung gilt ausschließlich dem Offline Spaß, da der Redakteur nicht über Xbox Live! verfügt.
Trotz der kleineren Mängel gibt es derzeit einfach kein besseres Tennis-Game auf dem Markt. Ich hatte viel Spaß an dem Game. Deshalb kann ich es auch jedem weiterempfehlen der sich auch nur ansatzweiße für Tennis interessiert. (pa)