geschrieben von Sascha Gläsel
Hersteller: Arcane Studios; DreamCatcher; Flashpoint
Genre: Rollenspiel
System: Xbox, PAL-Version
Besonderheiten: komplett deutsch; Rollenspiel in Ego-Perspektive; im Stile von Ultima Underworld
USK (ESRB): Geeignet ab 16 Jahren
Spieler: 1
Testmuster von: Flashpoint
Zur Abwechslung mal Wasser auf die Mühlen der Anhänger des Vorurteiles, dass die Xbox nur eine Zweitverwertungsmaschine für PC-Spiele sei: Mit "Arx Fatalis" bekommen Xbox Jünger Rollenspielnachschub, der bereits auf PC's sein Unwesen trieb. An dieser Stelle erfahrt ihr ganz vorurteilsfrei, ob es was taugt oder nicht.
Das Königreich Arx hat es schwer erwischt. Nachdem die Sonne des Planeten seinen wärmenden Dienst unerwartet eingestellt hat, ist die Oberfläche zu einer öden und tödlichen Eiswüste geworden. Die Bewohner sind unter die Erde geflohen und fristen nun ihr Dasein in einem weit verzweigten von Zwergen errichteten Höhlensystem. Doch es droht neues Ungemach: Die verschiedenen Rassen, wie Menschen, Zwerge, Goblins, Rattenmenschen oder Trolle sind sich nach einer kurzen Zeit des Friedens nicht mehr besonders grün. Schlimmer noch: Wiederholte Erdbeben und ein geheimnisvoller Gotteskult, der nicht vor Menschenopfern zurückschreckt, künden von weiterem Unheil. Ein bedrohliches Szenario, in dem ihr als menschlicher Gefangener ohne Gedächtnis in einem Goblinverlies hinein schlittert.
Ohne Gedächtnis im Kerker gefangen
Bevor ihr euch an den Ausbruch macht, ist Charaktergenerierung angesagt. Ihr tüftelt im Detail an den verschiedenen Eigenschaftswerten eures Alter Egos herum oder laßt das Spiel per Zufall entscheiden, wie eure Stärke, Magiebegabung, Objektwissen, Kondition, Intelligenz oder Schleichfähigkeiten ausfallen. Durch Verteilung auf bestimmte Werte trimmt ihr euren amnesiekranken Helden nach eurem Gutdünken zum starken Kämpfer, mächtigen Zauberer, verstohlenem Dieb oder zu einem Allrounder. Nach jedem Levelaufstieg gibt es weitere Punkte, die ihr beliebig den verschiedenen Eigenschaften zuweist. Dadurch können im weiteren Spielverlauf kleinere Fehlentwicklungen korrigiert werden. Bei maximal zehn Levelaufstiegen ist aber überlegtes Verteilen erste Rollenspielerpflicht. Beim Aussehen eures Abenteurers seit ihr lediglich auf eines von vier verschiedenen Gesichtszügen festgelegt. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten fehlen.
In der Stadt der Menschen. Die drei blauen Symbole über dem roten Balken stehen für drei Zaubersprüche, die in der Warteschlage darauf warten auf Knopfdruck losgelassen zu werden. Das orange-rote Hosensymbol zeigt an, dass die getragene Hose schon recht abgenutzt ist und bald repariert werden sollte. Das Schwert dagegen ist noch sehr gut in Schuss.
In der Ego-Perspektive flüchtet ihr anschließend aus dem Goblinkerker und macht euch an die Ergründung der Umgebung und eurer Vergangenheit. Dabei wird zunächst einmal die grobe Kelle ausgepackt, da ein paar Goblinwachen aus einem unerfindlichen Grund etwas gegen euren Fluchtversuch haben. Haltet den Kampfbutton in dem Echtzeit-Kampfsystem länger gedrückt um härter zuzuschlagen. Mit bloßen Fäusten oder aufgelesenen Knochen teilt ihr zu Beginn bevorzugt aus. Schon bald requiriert ihr von besiegten Gegnern Keulen und diverse Schwerter oder kauft euch neuwertiges Tötungswerkzeug bei Händlern. Achtet dabei auf den Zustand eurer Waffen. Bei Gebrauch nutzen sie sich ab - ohne rechtzeitige Instandsetzung zerbröseln sie. Gleiches gilt für Schilde und Rüstungen aller Art. Wer nicht rechzeitig selbst an einem Amboss repariert oder es bei einem Händler gegen Geld in Auftrag gibt, steht bald ohne Ausrüstung da. Wie gut ihr eine Reparatur durchführt hängt ebenso von eurern Charakterwerten ab, wie die Benutzung von Rüstung oder Waffen. Wollt ihr zum Beispiel mächtigere Schwerter schwingen ist dazu ein Mindestmaß an Stärke und Nahkampffähigkeiten nötig.
Komplexes MagiesystemMagie erweist sich im weiteren Spielverlauf meist als mächtiger als das Schwert. Allerdings sind zur Ausübung magischer Talente Runen unabdingbare Voraussetzung, die ihr erst finden oder käuflich erwerben müßt. Jeder Spruch setzt sich aus einer Kombination von zwei bis vier Runen zusammen. Jede Rune steht für eine bestimmte Steuerkreuzkombination. Wollt ihr den Zauber wirken, müßt ihr mit dem Steuerkreuz diese Kombination korrekt nachahmen. Da es in der Hektik von Echtzeitkämpfen sehr schwer fällt mit dem Steuerkreuz zu hantieren während ihr euch gleichzeitig eurer Haut erwehrt, gebt ihr bis zu fünf Zaubersprüche schon vorher ein und schickt sie in eine Warteschlange. Wenn ihr sie dann konkret benötigt, ruft ihr sie bequem durch Knopfdruck auf. Wer es gerne etwas weniger komplex haben will, darf auch auf ein vereinfachtes Magiesystem zurückgreifen. Ihr agiert nicht mehr mit dem Steuerkreuz, sondern wirkt Sprüche mit einfachem Knopfdruck. Dann könnt ihr so lange zaubern wie es euer sich mit der Zeit selbst regenerierende Mana-Vorrat hergibt.
Im Kampf gegen eine giftige Spinne. Haltet den Knopf zum Zustoßen länger gedrückt um härter auszuteilen. Leuchtet das Quadrat am unteren Bildschirmrand auf, ist euer Schlag am härtesten.
Wer sich in "Morrowind" ob der unglaublichen Freiheit überfordert gefühlt hat, darf sich freuen. Ähnlich wie in einem Action-Adventure läuft "Arx Fatalis" was den Spielverlauf angeht recht linear ab. Viele Bereiche der unterirdischen Spielwelt bleiben euch zunächst verschlossen, da euch in der Regel spezielle Sachen fehlen um Zugang zu erlangen. Zu Beginn steht zunächst der Ausbruch an, ihr schlagt euch anschließend zu einem menschlichen Außenposten durch, wo ihr dann euren nächsten Auftrag erhaltet, der euch in neue Gefilde führt. Dort wartet dann wieder eine neue Mission, die euch der Aufklärung eurer Vergangenheit und den seltsamen Vorkommnissen ein Stückchen näher bringt. Daneben warten einige wenige Nebenquests auf euch. Eine verschwundene Göre suchen oder einem einsamen Troll ein Geburtstagsgeschenk organisieren zum Beispiel. Als Belohnung winken vor allem wertvolle Erfahrungspunkte. Durch Kämpfe läßt sich grundsätzlich vor allem in der ersten Hälfte des Spieles viel weniger Erfahrung zum Aufleveln gewinnen. Zumal euch in der Regel so viele Feinde nicht über den Weg laufen und einmal gesäuberte Bereiche erst im letzten Spieldrittel wieder mit einer größeren Zahl mächtiger Gegnern aufgefüllt werden.
Rätselkost inklusiveSind die ersten Aufträge meist noch durch das simple Auffinden oder Transportieren bestimmter Gegenstände zu lösen, werdet ihr schon bald mit einigen kniffligen Rätseln konfrontiert. Mit ein bisschen Nachdenken und dem ein oder anderen geschickt platzierten oder verklausulierten Hinweis sind sie gut zu lösen. Einige wenige härtere Kopfnüsse einmal ausgenommen. Bei der Lösung eurer Aufträge stehen euch meist mehrere Möglichkeiten offen. Ihr könnt mit der Waffe in der Hand alles niedermachen und die benötigten Gegenstände im Stile eines Raubritters brandschatzen. Verstohlenere Abenteurer mit hohem Stealth Skill schleichen sich in feindliches Territorium, fröhnen dem Taschendiebstahl und knacken verschlossene Truhen ohne Schlüssel um an die Questobjekte zu kommen. Eine Verhandlungslösung, bei der ihr zunächst mal mit allen möglichen Personen sprecht - so sie euch denn nicht von vornherein feindlich gesinnt sind - und dabei allerlei Rätsel löst, klappt aber auch hervorragend.
Ups, zwei Goblins, die euch nicht mögen. Zwar ist euer Abenteuerer leicht angeschlagen (der rote Balken ist nicht komplett gefüllt), doch sollte er diesen Kampf leicht überstehen. Unter dem blauen Balken seht ihr übrigends die Stealth Anzeige. Schlägt sie nach rechts aus, seit ihr im Schatten. Ist sie wie hier links, steht ihr mitten im Licht.
Experimentierfreudige Spieler toben sich bei der Zubereitung von Lebensmitteln oder Heiltränken aus. Euer Held muss ab und zu für sein leibliches Wohl etwas essen. Ihr betätigt euch selbst mit der Zubereitung von Teig als Bäcker oder bratet auf offenem Feuer rohen Fisch, den ihr per Angel selbst organisiert, Hühnerkeulen oder Rattenrippchen. Außerdem steckt in euch ein kleiner Alchemist. Mithilfe eines Mörsers, diverser Pflanzen, leerer Flaschen und einem Destillierapparat bereitet ihr euch allerlei Tränke zu sei es zur Heilung, zur Manaauffrischung oder um euch unsichtbar zu machen. Mit vielen Sachen in eurem Inventar läßt sich darüber hinaus prächtig experimentieren. Darfs vielleicht ein paar vergiftetet Pfeile für euren Bogen sein? Was bewirken mit dem Mörser zerriebene Knochen? Lassen sich vielleicht Waffen oder andere Ausrüstungsgegenstände mit dem ein oder anderen Objekt oder Zauberspruch noch veredeln? Probiert es aus.
Übersichtskarte mit kleinen MackenZur Orientierung steht euch eine Karte zur Verfügung. Ihr findet sie in zwei Zoomstufen - eine Übersicht über den gesamten Level und einen stark vergrößerten Ausschnitt. Während ihr umhertappst wird im oberen rechten Bildschirmeck ein Kartenausschnitt angezeigt. Dumm nur, das wichtige Stellen, wie Treppen zu einem höher oder tiefer gelegenen Level sowie die wichtigen Teleportationsportale, nicht deutlich markiert sind. Nur einige wenige Orte sind mit Text hervorgehoben. Eigenhändig beschriften läßt sie sich nicht. Einige weitere kleinere Macken: Öffnet ihr das Inventar während das Zielkreuz auf einen Gegenstand oder eine Tür zeigt, wird normalerweise automatisch der Gegenstand gewählt, mit dem ihr eine sinnvolle Aktion startet. Führt ihr aber Werkzeug mit euch, wird bei Türen nicht immer der Schlüssel oder der Schlüsselbund ausgewählt, sondern immer nur das Werkzeug. Aufpassen beim Speichern: Haltet ihr einen Gegenstand in der Hand oder wirkt gerade einen Zauberspruch, so sind diese nach dem Speichervorgang einfach verschwunden. Vorsicht mit der Sortierfunktion: Wollt ihr euer begrenztes Inventar besser ausnutzen nutzt die Sortierfunktion. Ist euer Inventar allerdings fast voll, dann können größere Gegenstände verschwinden (ist mir persönlich mit Kurzschwerten passiert, die nach dem Sortieren einfach weg waren).
Im Inventarring habt ihr direkten Zugriff auf eure gesammelten Gegenstände. Ihr könnt sie zum Beispiel sofort benutzen oder einfach wegschmeißen. Darüber hinaus gibt es noch eine Inventaransicht, bei der ihr alles, was ihr tragt, auf einen Blick seht.
Da ihr euch durch Höhlen bewegt, herrschen bei der Grafik dunkle Braun- und Grautöne vor, was zwar nicht besonders abwechslungsreich ist aber zur düsteren Atmosphäre des Spieles paßt. Gerade bei größerern Räumen, so zum Beispiel der Stadt der Menschen, kommt es vermehrt zu Rucklern, die ansonsten nur bei schnellen Drehungen auffallen. Die Lichteffekte sind ordentlich. Der Schattenwurf kann aber mit dem, was zum Beispiel ein "Splinter Cell" zu bieten hat, nicht mithalten. Licht spielt insgesamt eine besondere Rolle. Viele Höhlen sind mit Fackeln oder Lampen ausgestattet. Andere Abschnitte liegen im dunkeln und müssen durch mitgebrachte Fackeln oder den Nachtsichtzauber erhellt werden. Wollt ihr euch verstohlen und leise von hinten anschleichen, kann es nicht schaden einige Lichter vorher zu löschen. Eine Stealth Anzeige am unteren linken Bildschirmrand zeigt euch an, ob ihr gerade im Schatten oder voll im Licht steht. Lobenswert: In den Optionen passt ihr Helligkeit oder Kontrast für besseren Durchblick auf eurem Fernseher an.
Dunkel und unheimlichSehr atmosphärisch gibt sich die Sounduntermalung. Schon von Weitem hört ihr zum Beispiel das Quieken von Ratten, das herausfordernde Gemurmel von Zombies oder patroullierende Wächter, die vor sich herpfeifen. Die Geräusche sind zudem mit einem Halleffekt versehen. Schließlich tummelt ihr euch in Höhlen herum. Wenn ihr Magie beschwört, murmelt euer Held den Namen der Runen mit. Die Sprachausgabe ist wie auch alle Texte im Spiel in deutscher Sprache (Gespräche werden grundsätzlich zusätzlich untertitelt). Besonders viel gesprochen wird aber nicht. Haut ihr die Leute abseits der Story an, haben sie meist nur ein oder zwei Standardsätze drauf. Wichtige Aufträge werden in einem Tagebuch vermerkt. Speichern ist jederzeit möglich. Im Laden-Menü tauchen eure Spielstände mit einem kleinen Screenshot und mit Datum und Uhrzeit auf.
"Arx Fatalis" ist ein wohltuend altmodisches Rollenspiel. Wie weiland in "Ultima Underworld" erforscht ihr ein komplexes Höhlensystem immer auf der Suche nach neuen interessanten Ausrüstungsgegenständen und Hinweisen zur Vergangenheit eures Alter Egos. Ihr werdet nicht mit einer Masse an unwichtigen Nebenquests erschlagen, sondern wandelt von einigen kleinen Ausnahmen abgesehen, meist auf dem roten Faden der Hintergrundgeschichte. Freiheiten bieten sich auf anderen Gebieten, sei es bei den meist unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten eurer Aufträge oder beim Herumexperimentieren mit Tränken oder Gegenständen.
Der Umfang von "Arx Fatalis" ist stattlich. Nicht ganz so riesig, wie "Morrowind", aber doch etwas länger als "Star Wars: Knights of the old Republic". Das euch trotz einiger etwas längerer Fußmärsche nicht Langeweile überkommt, dafür sorgen einige etwas hektische aber fordernde Echtzeitkämpfe, die stattliche Anzahl an Rätseln und eine interessante Hintergrundgeschichte. besitzt ihr keinen gut ausgestatteten PC um euch das preiswertere PC-Original zu kaufen, dann solltet ihr "Arx Fatalis" auf der Xbox unbedingt eine Chance geben. Ihr werdet nicht enttäuscht (sag).