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geschrieben von Sascha Gläsel
Hersteller: Qunatic Dream / Eidos
Genre: Action-Adventure
System: Dreamcast, PAL-Version
Besonderheiten: benötigt Memory Card (73 Blöcke); 60 Hz-Modus
USK (ESRB): ab 16 Jahre
Spieler: 1
Testmuster von: Eidos Interactive
Ihr kennt die Epilepsie Warnung, die jedem Spiel beiliegt und auf die Gefahren bei längerem Spielen auf bestimmte auf Lichtreize empfindlich reagierende Menschen aufmerksam macht? Bei Eidos' "Omikron: The Nomad Soul" müßte diesem eigentlich ein weiterer Hinweis hinzugefügt werden: "Vorsicht, durch dieses Spiel werden sie in eine Parallelwelt versetzt, in der ihnen grässliche Monster nach dem Leben trachten". Führt ihr euch das Spiel zu Gemüte, wird das Tor zu einer anderen Welt Namens Omikron geöffnet und ein Polizist bittet euch eure Seele mit seinem Körper zu verschmelzen um dort nach dem Rechten zu sehen.
Kaum angekommen, werdet ihr auch schon von einem seltsamen Wesen attackiert. Rettung naht in Form eines Polizeiroboters, einem gut bewaffneten und schwer gepanzerten Mech, der den Angreifer verjagt und euch allein in einer fremden von einem Supercomputer diktatorisch geführten Überwachungsstaat zurück läßt - eine Mischung aus Orwells "1984" und dem Kinoklassiker "BladeRunner". Als wäre das nicht schon Ungemach genug, wird Omikron auch noch von einer mysteriösen Mordserie heimgesucht, bei der immer wieder schrecklich verstümmelte Leichen gefunden werden. Euer "Körperlieferant", der auf den Namen Kay'l hört, hat bereits mit einem Kollegen an diesem Fall gearbeitet, bis beide plötzlich von der Bildfläche verschwanden. Also macht ihr euch daran, den seltsamen Ereignissen auf den Grund zu gehen.
3D Adventure lädt zum Erforschen ein
Ihr beginnt "Nomad Soul" im Adventure-Modus. Ihr lauft in der klassischen "Tomb Raider" Perspektive durch die Stadt, sprecht mit anderen Personen (im Multiple Choice Verfahren mit überwiegend lippensynchroner deutscher Sprachausgabe), durchsucht Wohnungen und andere Räumlichkeiten und nehmt alles an euch, was nicht niet- und nagelfest ist. Dabei leistet euch ein am Arm eurer Spielfigur geschnallter Computer treue Dienste. Er dient nicht nur als Inventar, sondern speichert automatisch auch die nächsten Aufgaben, stellt eine Übersichtskarte bereit oder ruft ein kostenloses Taxi, um bequem und schnell von einem Ort zum anderen zu reisen. Allerdings ist das Inventar auf 18 Gegenstände beschränkt. Entlastet euer Gepäck indem ihr nicht mehr benötigte Gegenstände in den an Wandtelefone erinnernde Geräte verstaut, die euch regelmäßig begegnen.
In Kay'ls Wohnung, die ihr als erstes ansteuern solltet, lernt ihr die Steuerung näher kennen. Denn nicht, wie zu erwarten wäre, mit dem analogen Stick sondern mit dem digitalen Steuerkreuz bewegt ihr euch von Ort zu Ort. Muss es mal im Sauseschritt sein, dann sprintet mit der R-Taste los mit der Folge, dass euer Alter Ego nach einem längeren Dauerlauf erst einmal lautstark nach Luft schnappen muss. Außerdem lernt ihr das Ehegespons eures Polizisten kennen, die euch mit der ersten Waffe, dem mit unendlicher Munition ausgestatteten Waver, versorgt und macht die ersten Gehversuche im Prügelmodus, einen der beiden Kampfmodi.
Personenhopping leicht gemacht
Schon bald dämmert es euch, dass eine riesige Verschwörung im Gange ist. Dämonen haben sich in Omikron breit gemacht und gieren nach Seelen. Da ihnen die Seelen vor Ort langweilig geworden sind, soll Abwechslung auf den Speiseplan - nämlich eure und die anderer Spieler, die ebenfalls durch das Spiel in diese Parallelwelt gesaugt worden sind. Nett, gell? Doch ihr habt einen Trumpf in der Tasche, der euch den entscheidenden Vorsprung verschafft. Das Spiel heißt nicht umsonst "Nomad Soul". Ihr könnt nämlich nicht so einfach sterben. Wenn euer Körper den Löffel abgibt, sucht eure Seele sich einfach einen anderen. Der- oder diejenige, die die Leiche eures bisherigen Wirtes als erste berührt, wird euer neues "Zuhause". Findet ihr den Reinkarnationszauberspruch (der erste Zauberspruch, der euch über den Weg laufen wird; später dürft ihr selbst einige neue Zaubersprüche aus verschiedenen Zutaten basteln), führt ihr einen solchen Körpertausch sogar bewußt herbei, wenn ihr über einen ausreichenden Vorrat an Mana verfügt.
Einige Rätsel erfordern es sogar zwingend, dass ihr den Körper wechselt. Mancher wird zum Beispiel nur dann gesprächig, wenn er von einer knackigen Braut angemacht wird. Oder warum sollt ihr euch mit schießwütigen Wachen auseinander setzen, wenn ihr in der Haut eines Wachpostens fröhlich durch deren Reihen marschiert? Einen Nachteil hat das Personenhopping aber: Die Erfahrung, die ihr in einigen Prügeleien gesammelt habt, das Geld und die Munition eurer diversen Waffen ist bis auf einen Grundstock futsch. Darüber hinaus verfügen eure neuen Wirte natürlich auch über eine unterschiedliche körperliche Konstitutionen. Der eine hat einen niedrigen Widerstandswert, ein anderer wiederum hohe Lebensenergie oder einen gesteigerten Manavorrat. Wenn ihr euch etwas näher umschaut, werden euch bestimmte Personen auffallen, bei denen ihr eine Meldung über besondere Widerstandskraft oder ähnliches zu sehen bekommt. Merkt euch die Stellen, wenn ihr einen guten Kämpfer benötigt.
Überwiegend logische Rätsel
Die Rätsel im Adventure Teil, in dem ihr euch die meiste Zeit bewegt, sind erfreulicher Weise durchgehend logisch aufgebaut und mit ein wenig Gehirnschmalz gut zu lösen, da die Programmierer mit entsprechenden Hinweisen nicht gegeizt haben. Nutzt darum die Freiheiten, die die Entwickler eingebaut haben. Schaut euch in der einzelnen Bezirken der großen Stadt um, besucht die verschiedenen Läden, verbringt mal ein paar Minuten in diversen Bars und sammelt ein, was es an Gegenständen einzusammeln gibt. Auch wenn sie vielleicht keinen direkten Nutzen bringen, so könnt ihr sie ja immer noch in einer Bank verkaufen und ein wenig Geld ansammeln.
Der überwiegende Teil aller gefundenen Gegenstände kommt aber zum Einsatz, manchmal sogar mehrmals, mal abgesehen von den vielen Werbeflyern, die an jeder Ecke herumliegen. Langsam erschließt sich euch so diese bedrückende Welt mit ihrer diktatorischer Führung, einer "gleichgeschalteten" Presse mit ihren nicht enden wollenden Erfolgsmeldungen, zwei konkurrierenden Megakonzernen, einer Religion, die keine Skrupel hat, für ihre Ansichten eine Menge Menschen über die Klinge springen zu lassen und eine Widerstandsbewegung, die die Zustände in Omikron nicht länger hinnehmen will.
Dabei habt ihr immer das Gefühl, dass ihr durch eine stimmige Welt reist. Dafür sorgen die kleinen Details am Rande. Fußgänger, Autos und futuristische Motorräder bevölkern die Straßen, im Supermarkt werdet ihr von Werbespots beschallt ("kauft Quanta Cola ... mit radioaktivem Quanta Extrakt" oder "Überholen sie sich selbst mit Sike Sportschuhen") und im Holo TV folgen auf Nachrichten von dem ach so tollen IX und seinen Untergebenen eine schön kitschige Soap Opera. Das passt und saugt euch regelrecht in die Story hinein.
Ballern oder Prügeln gefällig?
Irgendwann aber heißt es Schluss mit dem Adventure und es müssen in einem der beiden Actionparts die Fäuste oder die Waffen sprechen. Zum ersten Mal werdet ihr bei einer Besetzung eines Supermarktes durch Terroristen mit der Action konfrontiert. Die diversen Waffen, die ihr findet oder in Waffengeschäften für harte Seleks, der Währung in Omikron, ersteht, kommen im Ego Shooter Kampfmodus zum Einsatz. In der Ego Perspektive ballert ihr auf durchaus intelligent agierende Gegner, die schon mal in Deckung hechten oder euch verfolgen, wenn ihr die Flucht antretet. Gewöhnungsbedürftig ist die Steuerung: Ihr bewegt euch mit dem digitalen Steuerkreuz und zielt mit dem analogen Stick. Mit dem L und R Button weicht ihr feindlichem Beschuss nach links oder rechts aus. Kauft euch am besten in einem der Waffenläden ein Radar, damit ihr einen besseren Überblick in den Kämpfen habt und ihr nicht von plötzlich auftauchenden Gegnern überrascht werdet.
Habt ihr euch so durch den Supermarkt geballert, wartet am Ende der Boss der Gang auf euch, dem ihr Auge in Auge in einer Prügelsequenz, dem zweiten Actionpart, ans Leder geht. Tritte und Schläge sind ein leichtes, durch bestimmte Button Kombinationen in Verbindung mit dem Steuerkreuz sind sogar Spezialmoves möglich (schaut euch in den Wohnungen einiger übernommener Personen um oder besucht einen Buchladen um neue Kampftechniken kennen zu lernen). Gegnerische Schläge weicht ihr geschickt aus oder blockt sie ab. In einigen wenigen Situationen wird es etwas unübersichtlich, wenn Wände oder Kisten euer Blickfeld versperren, da die Kameraperspektive fest vorgegeben ist.
Wer sich lieber auf den Adventure Part konzentrieren will und nicht so viel mit der Action am Hut hat, darf den Schwierigkeitsgrad der Kampfsequenzen getrennt für den Prügel und den Ego-Shooter Part herunterschrauben. Doch auch bei leichtester Einstellung habt ihr an der ein oder anderen Mission zu knabbern, da zur knackigen Gegnerschar ab und zu noch ein Zeitlimit kommt.
Abspeichern nur mit Ringen
Abspeichern dürft ihr eure Fortschritte nur an bestimmten Speicherpunkten, die durch drei ineinander verflochtene Ringe dargestellt werden. Ihr benötigt 73 Blöcke auf eurer Memory Karte, in denen vier Spielstände Platz finden. Speichert aber nicht zu oft, da jedesmal ein magischer Ring flöten geht. Diese findet ihr meist gut versteckt in abgelegenen Ecken oder erhaltet sie nach einem Sieg in einem der Actionparts. In diesen haben die drei ineinander verflochtenen Ringe eine andere Funktion. Hier dienen sie als Rücksetzpunkt, wenn ihr mal in einer der umfangreichen Ego Shooter Sequenzen erschossen worden seit. Dann verliert ihr ebenfalls einen Ring und müsst den Actionpart noch mal von vorne beginnen, wobei alle bereits erledigten Gegner wieder da sind.
Optisch wird abgesehen von einigen kleineren Detailmängel gehobene Dreamcastkost geboten. Eure Spielfigur bewegt sich weitgehend flüssig animiert durch die weitläufigen Stadtsektoren von Omikron. Ins Stocken kommen eure Bewegungen, wenn beim Betreten eines Gebäudes nachgeladen wird, da hier immer eine kleine Pause entsteht. Über die Clippingfehler, die euer ständiger Begleiter sind, sehe ich mal großzügig hinweg, da sie den Spielfluss nur unwesentlich behindern. Spielt ihr im 50-Hz-Modus, müsst ihr mit dicken PAL-Balken leben. Erst, wenn ihr auf 60 Hz umschaltet, bekommt ihr das 3D Adventure im Vollbild zu Gesicht. Schön, dass sich der 60-Hz-Modus offenbar als Standardfeature für PAL-Spiele durchzusetzen scheint.
Stargast heute abend: David Bowie
Die Musik ist eine der absoluten Highlights des Spieles. Kein Geringerer als David Bowie steuerte Songs zu "Nomad Soul" bei. Doch damit nicht genug, taucht der Superstar auch noch in virtueller Form in einer der Bars auf und bringt euch einen Song zu Gehör, wenn ihr eine Einladung zu seinem Konzert gefunden habt. Später dürft ihr sogar mal den Körper seiner Angetrauten, dem Ex-Fotomodell Iman, übernehmen. Daneben findet ihr Datenträger mit weiteren Stücken von Bowie in diversen Locations oder ersteht sie in einem der Buchläden. In der Wohnung von Kay'l findet ihr zum Beispiel ein Gerät, um die Datenträger mit den Ohrwürmern von David Bowie abzuspielen.
Während ihr durch Omikron streift, dudelt keine Hintergrundmusik vor sich hin. Dies ist in meinen Augen auch besser so, da Musik nach längerem Spielen doch nur stören würde. Erst wenn ihr eine der Gebäude betretet, gibt es ein wenig Musik zu hören. Zum Beispiel im Supermarkt, wo die Musik durch Werbespots unterbrochen wird, oder in Bars. Daneben bekommt ihr aber eine Menge Geräusche aufs Ohr gedrückt. Vor allem die allgegenwärtigen Überwachungsflieger machen eine Menge Radau. Dass die Straßen belebt sind, macht sich auch akustisch bemerkbar.
Wow, "Omikron: The Nomad Soul" fesselt euch mit seiner tollen Atmosphäre und der geheimnisvollen Story schnell vor dem Bildschirm. Während zum Beispiel "Shadow Man" mehr auf Action setzt, steht in "Nomad Soul" der Adventureteil mit seinen logischen Rätseln im Vordergrund. Dazu habt ihr die Freiheit die eindrucksvollen Stadt nach Gutdünken zu erforschen, werdet dabei aber selten in die Bredouille kommen, mal nicht zu wissen, wie es weiter geht, da die nächsten Anlaufstellen auf der Karte erscheinen und wichtige Tipps gespeichert werden und daher immer abrufbar sind (sag).