geschrieben von Frank Miersch
Hersteller: Crystal Dynamix / Eidos Interactive
Genre: Jump 'n Run
System: PlayStation2, PAL-Version
Besonderheiten:
USK (ESRB): ab 6 Jahren
Spieler: 1
Testmuster von: Eidos Interactive
Wirklich verrückt oder doch Realität? Crystal Dynamics konnte in der Vergangenheit viel Lob für die "Soul Reaver"-Serie ernten. Nun hat sich das Team an seine Wurzeln erinnert und präsentiert mit "Whiplash" ein Action-Jump 'n Run der besonderen Art.
Ein Glück sind wir nicht so.
Was für eine Welt in der wir leben? In der hilflose, mitleidserregende Geschöpfe von brutalen Kapitalisten und kranken Wissenschaftlern jahrelang in unwürdigen Verhältnissen durch perverse Experimente gequält und gefoltert werden - doch nicht alle ergeben sich der Spirale der Verzweiflung. Einigen Mutigen ist es vorher bestimmt ihr Schicksal zu ändern. Nur beseelt von dem Gedanken der Freiheit ladet ihr euch die Verantwortung über Rache und Befreiung auf den Rücken und zieht in die Schlacht um, der Ekelarmada den Gar auszumachen. Probiert Sonic das nicht auch schon seit über 10 Jahren? So langsam könnten die Story-Schreiber sich auch mal wieder was neues einfallen lassen. (Liegen die den ganzen Tag am Strand und sagen sich "Ich gebe einfach die alten Scripts ab. Radier die Namen weg und setz andere ein. Fertig. Hat die letzten 3mal ja auch geklappt.", oder was?)
Crystal Dynamics war immer gut für unterhaltsame Spiele. Schmeißen die jetzt auch schon Klapper-Games auf dem Markt nur um Kohle abzuzocken? Nein, im Gegenteil. Denn der abgelutschte Weg eines normalen Spiels dieses Genres wird schnell verlassen. Wobei die Entwickler das Rad nicht neu erfunden haben, vielmehr haben sie es in neuem Glanz erstrahlen lassen. Jeder der sich fragt, wo sind nur die guten alten Games - einfach gehalten aber voller Spielspaß und nervenden Schnickschnack - findet hier eine Antwort.
Das dynamische Duo!
Nach einer kurzen Einleitung, die ruhig ein bisschen länger und ausführlicher gestaltet sein könnte - es wird weder erwähnt woher unsere Helden kommen noch wie's zu Ihrer Gefangenschaft kam, befinden wir uns auf der Flucht vor dem verhassten Genron-Konzern und seinen Mitarbeitern.
Die Mutter aller tierischen Rachegelüste ist aber ein gewisser Fränklin Mann, Chef von Genron und erklärter Tierpeiniger. Spanx, ein von Experimenten stark gebeutelter Langschwanz-Wiesel, und Redmond, ein auf rote Knöpfe abgerichteter Schneehase, die beide aneinander gekettet sind, stellen unsere virtuellen Handlanger dar und arbeiten als Team zusammen. Nunja, mehr oder weniger. Besonders während der Einleitung und am Anfang des Spiels, aber auch immer wieder zwischendurch, wird man von einer Ansagerstimme begleitet die man so noch nicht gehört hat. Dieser verstrahlte Typ lässt Produktbeschreibungen, abgedrehte Storys um Genron und die neuesten Tierversuche durch den Äther schallen. Sodas man manchmal einfach stehen bleibt und zuhört was er nun wieder von sich gibt. Auf der Suche nach einem Ausgang in die Freiheit ist Spanx jedes Mittel recht und so wird Redmond zu allerlei derben Sachen missbraucht. Er muss Herhalten als Feuerschutztür-Öffner, Trennschalter im Sicherungskasten, wird als Lockmittel in ein Schokoladen-Häschen verwandelt und er wird in Motoren und Uhrwerke geworfen um diese dann durch gezieltes drücken des linken Analogsticks zu zerstören. Diesen Missbrauch kann Redmond natürlich nicht gut heißen und tut seinen Unmut lautstark und auf witzige Art und Weise kund. Sein schwarzer Humor ist dabei absolut passend und treibt einen zu neuen Schandtaten an. Wobei zu bemerken ist das die Dialoge lustig, die Synchronisation der Bewegungen aber ein Graus bzw. nicht vorhanden sind.
Bam Bam Hase - The Beast from the East
Standardmäßig benutzt Spanxs aber Redmond als Kumpel an der Kette, der mit dem Gegnerpack kurzen Prozess macht. Schafft man dabei mehrere Treffer hintereinander, füllt sich sogleich die Combo-Leiste - ist diese dann voll rastet Redmond aus und verfällt in Raserei bis die Leiste wieder leer ist. Durch weitere Treffer kann die Abnahmeratte verringert werden. Weiterhin kann er auch dazu benutzt werden sämtliches Genron-Inventar zu zertrümmern - unter anderem auch eine Teilaufgabe im Spiel. Es gilt 100% zu erreichen, was aber ein mehrmaliges durchspielen erfordert, um tatsächlich alle Endings und Belohnungen freizuschalten. Im Statusmenü erscheint eine Statistik die über die gemachten Fortschritte informiert.
Eine verächtliche, aber dennoch praktische Möglichkeit ist es Redmond mit Upgrades zu verbessern. Zum einen sind da die zeitlich beschränkten Fähigkeiten, die man erhält wenn man mit einem gezielten Kettenschwinger den Hasen in eines der überall herumstehenden Fässer befördert. Das "Fusionsfass" wird als erstes aktiviert, dadurch wird Redmond zum Feuerhasen - was zum einen seine Angriffskraft erhöht und zum anderen neue Bereiche erreichbar eröffnet.
Im späteren Spielverlauf werden dann noch Starkstrom, Eis, Gift (vielmehr radioaktive Verseuchung) und Heliumfässer (Luftballon anyone?) aktiviert. Stehen dann alle Fässer zur Verfügung, ist es ratsam vorher besuchte Bereiche noch mal zu betreten.
Man hat die Chance einen Bonus zu erhalten, wenn alle gefangenen Tiere in einem Bereich befreit hat. Man muss sich dann entscheiden, ob als Bonus eine Fähigkeit genommen wird (beispielsweise das Gleiten oder der Starkstrom-Schwung), Kartenzubehör zur besseren Übersicht oder die Hypersnack-Power erhöht wird. Hypersnacks liegen überall verstreut herum und man erhält sie von verprügelten Gegnern. Nach einer gewissen Anzahl wird dann der Level erhöht was zur Folge hat das Spanxs Gesundheit und Redmonds Energiewert steigt. Dadurch ist es lohnenswert mal so richtig Aggressionen abzubauen und alles zu verdreschen was nicht wegrennt. Gerade bei Boss-Kämpfen ist ein höherer Level von Vorteil aber nicht Pflicht.
Wortkarg und hypernervös
Spanx hat aber auch schon einiges hinter sich. Eine Auswirkung der Experimente die er über sich ergehen lassen musste zeigt sich in den vielen Kabeln, die aus seinem Kopf ragen. Das hat aber fast keine Auswirkung bis auf die Fähigkeit verschiedene Signale vom Sicherheitsnetz zu empfangen. Ansonsten bewegt man Spanx durch den Komplex und zieht Redmond hinterher. An vielen Stellen ist ein weiterkommen nur dann möglich, wenn Spanx über Rohre und Schienen galoppiert - dies erreicht man durch das drücken der L1-Taste recht einfach. Tricky wird es aber erst beim Springen und wechseln der Rohre. Alternativ kann Redmond auch über ein Rohr mittels Quadrat-Taste geworfen werden und Spanx hängt sich a la James Bond dran. Dadurch erschwert sich aber ein Wechseln der Rohre enorm.
Wenn wir schon mal bei Hollywood sind. Man bekommt auch noch andere Effekte aus Filmen zu sehen wie etwa aus "Matrix". Die zweite nützliche Fähigkeit von Spanx ist an Maschendraht zu klettern. Es gibt selten die Möglichkeit zu klettern, kommt man aber nicht mehr weiter liegt es meistens daran das eine Maschendrahtleiter in der Nähe übersehen wurde. Durch seine Empfangsanlage im Kopf erfährt Spanx von einem Unbekannten, der seine Hilfe für die Flucht anbietet. Natürlich tut er dies nicht für die hohle Hand, sondern bittet beim Treffen mit den beiden um die Befreiung der verbleibenden, gefangenen Tiere. Der Unbekannte ist aber nicht der Einzigste der im Laufe des Spiels helfen will, diesem schauderlichen Treiben ein Ende zu setzen. Es gibt da noch Carol Ann, eine Krankenschwester wie sie im Buch steht, der Master und Lincoln, ein Cyborg Uhu. Da sich die Ereignisse aber überstürzen bleibt dem Gespann nicht viel Zeit zum überlegen und sie tun es.
Dieser "From Dusk Till Dawn"-Effekt, also Ziele und Möglichkeiten verkehren sich ins Gegenteil, kommt öfters im Spiel vor. Nun durchstreift man die 12 Bereiche des Komplexes vom Testlabor bis über die Recyclinganlage auch noch nach Mitgefangenen - sind alle befreit gibt es eine Überraschung. Um im Spiel weiter voran zu kommen muss man diverse Missionen pro Bereich erfüllen. Neben dem Hauptstrang ist es auch möglich versteckte Bereiche mit Zusatzmissionen oder -Tieren zu öffnen. Die Aufgaben sind breit gefächert - von "erreiche Punkt X" oder "öffne Tür X" bis hin zur "rätsellastigen Zerstörung von Maschinen". Bei Erfüllung aller Aufgaben wartet ebenfalls eine Überraschung auf euch. Wer davon nicht genug bekommt kann auch noch über 50 Robomäuse suchen, auch hierfür winkt eine Belohnung.
Negativ aufgefallen ist das Leveldesign, es gibt so gut wie keine Abwechslung. Entweder man bewegt sich durch Schächte, Räume und Fluranlagen (die alle gleich aussehen) oder man springt über Rollbänder, Rohre oder Plattformen was mit zunehmender Spieldauer recht monoton ist. Vernachlässigt wurden auch die Gegner im Spiel. Es sind viel zu wenige und die vorhandenen sind Tröten. Es ist möglich Gegner, die auf einer Plattform stehen, durch Permanentes prügeln - auch wenn sie sich schützen - über die Kante zu schubsen und schon gibt es keine Sorgen mehr über etwaige Behinderungen, falls man selber da nochmal landet. Aber egal, die eigene Energieleiste wird eh selten angegriffen - höchstens wenn man sich einen Fehltritt erlaubt bzw. in Feuer-/Elektromasse läuft. Ausnahmen hiervon sind die Zwischen- und Endgegner, die haben es in sich und bewachen meistens eine von sieben Schlüsselkarten, die nötig sind um zum finalen Gegner zu gelangen. Mit jeder Karte kann auch ein Cheat freigeschaltet werden, doch mehr will ich hier nicht verraten.
Der Hausmeister ist einer dieser Boose. Bei ihm bringen Angriffe erst mal gar nichts, erst müssen an der Decke vier Ventile geöffnet werden, das Schleim in den Raum fällt den er umgehend wegputzt. Erst dann ist er angreifbar, aber auch nur für 3-4 Schläge. Erfolg hat hier nur wer Ausdauer besitzt. Keine Panik, die meisten erscheinen erst nach der Hälfte des Spiels (entsprechende Fähigkeiten müssen erst erlernt werden). Bis dahin hat man sich mit dem Spiel locker vertraut gemacht. Hier handelt es sich wieder um so einen "F.D.T.D"-Effekt, wie oben schon erwähnt.
Hard Mode
Spielen sich die ersten 50% vom Spiel wie für Einsteiger, ist die zweite Hälfte richtig knackig. Es folgen keine Anweisungen mehr, wo es als Nächstes hingehen soll. Man kommt in Bereich, die ein Versagen mit dem sofortigen Lebensverlust quittieren. Die Jump-Einlagen sind wesentlich anspruchsvoller, aber immer noch nicht schwer, und nicht zu vergessen, die dicken Gegner. Dafür ist nun eine freie Bewegung innerhalb des Komplexes möglich. Alle fehlenden Dinge wie Tiere, Mäuse, Missionen oder Firmenzerstörung können nun vervollständigt werden.
Die Steuerung ist über jeden Zweifel erhaben nur die Kameraführung ist manchmal zu hektisch, jedoch immer einstellbar. Besonders lobenswert ist das "Save and Try System" - jederzeit ist es möglich abzuspeichern und es gibt massig Rücksetzpunkte. Es dürfte daher kein Problem darstellen dieses Spiel früher oder später erfolgreich zu beenden.
Die Menüs sind vom Startbildschirm an sehr übersichtlich und logisch. Ein wenig ungünstig ist die Kartenübersicht geraten. Bei der Suche nach einem bestimmten Zimmer muss man Raum für Raum den ganzen Bereich ab Klappern. Es ist nicht drin auf dem ersten Blick zusehen wo man lang muss - mit allen Erweiterungen aber dennoch eine Hilfe.
Crystal Dynamics sind ihrer Tradition treu geblieben und haben ein gutes Action-Jump 'n Run abgeliefert, was sicherlich keine Supereffekte oder Innovationen bietet dafür aber grundsolide und super spielbar ist.
Der schräge Humor ist ein Hauptbestandteil und verursachte den einen oder anderen Lacher. Wenn man sieht, wie die gehirnlosen Forscher Haltungsnoten abgeben, für Hamster die sie mit der passenden Hamsterkanone gegen eine Wand schiessen, kann man gar nicht anders. Es sei den man arbeitet bei Greenpeace. Schade das es insgesamt nur wenige dieser Mini-Zwischensequenzen gibt. Einfach köstlich!
Die Grafik entspricht nicht ganz dem Stand der Zeit, ist dafür aber ohne technische Mängel. Die Animationen von Spanx und Redmond sind perfekt und nett anzusehen. Ruckler und Zuckler sowie Slowdowns sieht man keine, was wohl darin liegt das es wenig Abwechslung und Gegner gibt. Insgesamt zu wenig Abwechslung und Kreativität bei den Texturen und beim Leveldesign.
Wie steht es um den Sound? Die musikalische Untermalung ist gut gelungen. Einige Stücke grooven richtig, andere wenige nerven. Wie schon erwähnt sind die Kommentare der Charaktere ein großer Pluspunkt von "Whiplash". Die Soundeffekte sind stimmig und erzeugen den richtigen Background.
"Whiplash" ist durch und durch ein gutes und ausgewogenes Spiel. Die lustige Thematik und die krassen Sprüche sind mal was anderes als immer nur virtuelles Terroristenhatz. Der Schwierigkeitsgrad ist nicht allzu hoch angesetzt und steigert sich im Laufe des Spiels, was es interessant für jeden macht der auf dieses Genre steht.
Die Optik wirkt ein wenig gelangweilt und ist ohne nennenswerte Highlights. Dieses Manko wird aber durch das sehr gute Gameplay wieder mehr als wett gemacht. Wer ein unkompliziertes und solides Spiel mit einer Menge Spaß sucht liegt hier goldrichtig. (fm)