geschrieben von Sascha Gläsel
Hersteller: Jaleco; Bigben Interactive
Genre: Sportspiel
System: Xbox, PAL-Version
Besonderheiten: massig Pool-Varianten vorhanden; unterstützt Xbox Live (2 Spieler)
USK (ESRB): ohne Altersbeschränkung
Spieler: 1 - 16 (bis 2 Live)
Testmuster von: Bigben Interactive
Im realen Leben ist des Queue beim Billard nicht euer Freund? Mit einigen netten Hilfen locht ihr virtuell die Kugeln erfolgreicher ein. Wenn ihr denn zum Beispiel ein "World Championship Pool 2004" und eine Xbox euer eigen nennt.
"World Championship Pool" bietet euch in der neuesten Auflage nämlich eine Menge unterschiedlicher Pool Varianten. Vom normalen Pool über 8- und 9-Ball bis hin zu Snooker oder kniffligen Trickstößen reicht die Palette. Entweder als einzelnes Match oder einem selbst zusammengebastelten Turnier - Turniere bleiben aber ausschließlich 8- und 9-Ball vorbehalten. Dazu gesellen sich ein paar spaßige Abwandlungen mit ungewöhnlichen Tischen oder Regelvorgaben. So gibt es eine Tempo 9-Ball Variante, in dem ihr einen Stoß in bestimmter Zeit erledigen müßt, oder einen Tisch beim 8-Ball, bei dem die Kugeln an bestimmten Stellen in die Luft katapultiert werden. Da sollte für jeden Billardfreund etwas dabei sein.
Das wird ein einfacher Stoß. Mit ein bisschen Geschick werden sogar zwei "Halbe" eingelocht. Achtet auf die blauen Dreiecke, die den Verlauf der weißen Kugel nach der Karambolage anzeigen.
In einer Karriere bastelt ihr euch einen eigenen Charakter zusammen, den ihr auf Wunsch auch in anderen Spielmodi nutzt. Ansonsten greift ihr auf vorgegebene Protagonisten zurück - dank entsprechender Lizenz reale Billardartisten. Euer Bildschirmakteur ist entweder ein Männlein oder Weiblein, den ihr vom Aussehen her in relativ engen Grenzen aus wenigen vorgegebenen "Einzelteilen" individualisiert. Wichtiger als Nationalität oder Geschlecht ist die Art der Hilfe, die euch das Spiel an die Hand geben soll. Auf dem Filz seht ihr an der Kugel, die vom weißen Spielball getroffen wird, zwei aus kleinen Dreiecken gebildete Linien. Die eine in blau gehaltene zeigt den voraussichtlichen Laufweg der weißen Kugel nach der Karambolage, die aus orangenen Dreiecken gebildete den Weg der Zielkugel an. Die Länge der Dreiecke variiert in den drei Schwierigkeitsgraden erheblich. Außerdem sind sie nicht in allen Ansichten verfügbar.
Hilfe zum EinlochenNatürlich könnt ihr der weißen Kugel auch noch Effet mitgeben. Wie stark hängt vom verwendeten Queue ab. Als Karriere-Einsteiger in die Welt der Billard Profis verfügt ihr lediglich über ein einfaches Arbeitsgerät, das nur geringes Effet bereit stellt. Habt ihr euch durch erste Erfolge in den Turnieren Preisgelder erspielt, legt ihr diese in bessere Queues an, die euch variantenreichere Stöße mit stärkerem Effet ermöglichen. Um zusätzlichen Drall zu erzielen ändert ihr auch noch den Winkel, mit dem das Queue auf den Spielball trifft. Trefft ihr die weiße Kugel mit einem fast senkrecht gehaltenen Arbeitsgerät, dann laßt ihr sie sogar über andere hüpfen. In einigen Situationen eine enorm nützliche Aktion.
Diese Situation ist nicht ganz so einfach zu meistern (wie im vorhergehenden Screenshot wieder 8-Ball). Vielleicht wäre eine Sicherheit angebracht?
Eine Karriere, in der ihr euch an die Spitze der Pool Weltrangliste locht, gibt es nur im 8- oder 9-Ball. Ihr müßt euch für eine der beiden Pool-Varianten entscheiden, bevor ihr in eine einjährige Spielzeit geht. Ist eine Saison nach gut neun Turnieren und dem ein oder anderen Einladungswettkampf beendet, habt ihr wiederum die Qual der Wahl für die nächste Spielzeit, ob ihr 8- oder 9-Ball den Vorzug gebt. Eine Snooker Karriere oder ein Turnier sucht ihr genau so vergebens, wie die bekannten Snooker Profis. Neben Preisgeldern, die ihr in neues Arbeitsgerät, neues Outfit in Form von Hemden und Hosen oder neue Tische oder Ballsets anlegt, erspielt ihr euch die Schauplätze der Turniere auch für einzelne Matches.
Realistische BallphysikDas Wichtigste: Die Ballphysik ist den Programmierern offenbar realistisch gelungen. Die Kugeln prallen physikalisch korrekt von anderen Bällen oder Banden ab. Auch die Auswirkungen von Effet sowie Stärke und Winkel der Stöße scheinen authentisch wieder gegeben zu werden. Allerdings ist es minimal fummelig, die Stoßrichtung festzulegen. Da die analogen Sticks vom Programm einen Tick zu empfindlich angesprochen werden, ist es gelegentlich nicht immer ganz leicht, die Stoßrichtung in kleinen Nuancen zu korrigieren. Eine Option zur Änderung der Sensibilität der analogen Sticks hätte hier Abhilfe geschafft. Da schon geringe Richtungsänderungen den Unterschied von erfolgreichem zu vergeblichem Einlochen ausmachen, laviert ihr gelegentlich mehrmals hin und her bis die Richtung endlich stimmt.
Zur besseren Übersicht schaltet ihr jederzeit auch beim Stoß des Computer-Kontrahenten in die Vogelperspektive um. Die Computeraktionen zu überspringen ist zwar nicht möglich. Dafür schaltet ihr aber einen Zeitraffer hinzu, wenn es euch zu lange dauert.
Auch die KI eurer computergesteuerten Konkurrenten kann sich sehen lassen. Während sich Spitzenspieler allerhöchstens einmal einen kleinen Schnitzer erlauben und eine vergebliche Sicherheit eurerseits meist gnadenlos ausnutzen, gönnen sich die Spieler aus hinteren Ranglistenpositionen öfter mal einen vergeblichen Einlochversuch samt des ein oder anderen Fouls. Das ist auch gut so, weil ihr zum Beispiel in einer Karriere zu Beginn schon mal ein Qualifikationsmatch gegen einen Pro aus dem hinteren Ranglistenbereich spielen müßt, bevor ihr für das eigentliche Turnier zugelassen werden.
Den totalen ÜberblickVier verschiedene Ansichten stehen euch zur Verfügung um die Lage der Kugeln auf dem Tisch adäquat einschätzen zu können. Einmal natürlich der Blick über euer Queue hinweg, mit dem ihr den weißen Spielball anvisiert. Eher in die Rubrik witzig aber ohne großen Extranutzen ist die "Kopfkamera" einzuorden, bei der ihr den Tisch aus den Augen eures Akteurs ohne eingeblendetes Queue seht. Allerdings könnt ihr euch dabei nicht bewegen, sondern wirklich nur den Blick schweifen lassen. Den Überblick über den gesammten Tisch gibt euch die Sicht aus der Vogelperspektive. Die "Zielkamera" schließlich zeigt euch das Geschehen aus der Richtung der Kugel, die ihr mit der Weißen anspielen wollt. Eine gänzlich freie Kamera fehlt, mit der ihr beliebig um den Tisch herumfahren könntet.
Der Computerspieler hat leichtes Spiel beim nächsten Stoß (diesmal 9-Ball). Damit auch wenig versierte Pool-Fans wissen, welche Kugel beim nächsten Stoß im 9-Ball eingelocht werden muss, seht ihr am rechten Bildschirmrand die korrekte Reihenfolge aufgelistet.
Optisch dürft ihr euch naturgemäß kein Effektfeuerwerk erwarten. Die Kugeln warten mit Spiegelungen auf. Auf dem Tisch bleiben Kreidespuren durch kräftige Stöße zurück. Die Tische selbst stehen nicht im leeren Raum, sondern zum Beispiel in für Fernsehübertragungen eingerichtete Räumlichkeiten oder auch mal in Kneipen. Auf den Zuschauerrängen tummeln sich Pool-Fans. Die Spieler sind weitestgehend lebensecht animiert, zeigen aber auch mal hölzerne Bewegungen. Kleinere Grafikfehler, wie ein durch den massiven Tisch gehender Spieler, kommen nur sehr selten vor. Bei der Musikuntermalung greift ihr entweder auf die vom Spiel mitgebrachten Songs zurück oder auf der Festplatte vorhandene Stücke. Einzelne Songs auszusuchen ist leider nicht möglich, nur ein auf der Harddisk angelegter Unterordner mit Musikstücken wird chronologisch abgenudelt. Lästig: Nach jedem Frame dürft ihr wieder aufs neue die Jukebox mit eurern Songs aktivieren. Während der Matches gibt ein englischsprachiger Kommentator seinen Senf zum Stand der Dinge und empfiehlt schon mal einen bestimmten Stoß. Gelingen euch spektakuläre Aktionen, dann honoriert das Publikum dies mit dezentem Applaus.
OnlineduelleSelbstredend können sich zwei menschliche Pool-Fans am Bildschirm duellieren. Wer über Xbox Live verfügt, sucht sich seine Gegner in den Weiten von Microsofts Onlinespieledienst. Zudem arrangiert ihr ein eigenes 8- oder 9-Ball Turnier mit bis zu sechszehn Mitspielern. Sind weniger vorhanden, veranstaltet ein kleineres Turnier oder last den Rest der Teilnehmer mit Computerspielern auffüllen. Allerdings ist dann auch etwas Sitzfleisch gefragt, da immer nur maximal zwei Spieler abwechselnd ihre Einlochversuche starten. Die anderen können dann nur zuschauen. Ein bisschen Fachsimpeln oder die Verunsicherung der gerade spielenden Akteure soll angeblich aber auch Spaß bringen.
"World Championship Pool 2004" bietet Pool-Fans ein großes Betätigungsfeld. Vielfältige, abwechslungsreiche Spielmodi und eine authentische Ballphysik sind die Trümpfe, mit denen Jalecos Pool-Game punktet. Selbst Anfängern gelingt nach ein wenig Einarbeitung dank der Hilfslinien spektakuläre Stöße. Kleinere Hakler bei der Bedienung zum Beispiel beim Einbinden eigener Songs von der Festplatte oder die einen Tick zu empfindlich eingestellten Analogsticks, fallen nur geringfügig negativ ins Gewicht. Die Karriere ist eine herausfordernde aber dank glücklicherweise nicht fehlerloser Gegner doch spaßige Angelegenheit. Spielspaßluft nach oben ist aber noch drin. Wie wäre es zum Beispiel mit kleinen Mini-Spielen in der Karriere ähnlich derer in Segas "Virtua Tennis" Reihe, mit der ihr die Werte eures Pool Profis verbessert, statt nur mal gelegentlich ein neues Queue kaufen zu müssen? Vielleicht beim nächsten Ableger der Reihe? Trotz dieser kleinen Mängel sollten Billard Fans aber unbedingt einen Blick riskieren. Lediglich auf Snooker fixierte Freunde des Billardsportes werden mit "World Championship Pool 2004" nicht ganz glücklich (sag).