geschrieben von Sascha Gläsel
Hersteller: Bioware, Microsoft Game Studios
Genre: Rollenspiel
System: Xbox, PAL-Version
Besonderheiten: komplett deutsch; jederzeit speicherbar; Action-Echtzeitkampfsystem
USK (ESRB): Geeignet ab 12 Jahren
Spieler: 1
Testmuster von: eigene Anschaffung
Nach dem famosen "Knights of the Old Republic" werkelte Bioware nicht etwa an einem zweiten Teil - der wurde von einem anderen Studio in Szene gesetzt - sondern widmete sich mit "Jade Empire" einem Rollenspiel im fernöstlichen Ambiente mit Beat 'em up Echtzeit-Kampfsystem.
Der Einstieg ist für ein Rollenspiel denkbar unkompliziert: Ihr wählt euer Alter Ego aus einem halben Dutzend Charaktere, die sich abgesehen vom Aussehen und Geschlecht von den Eigenschaftswerten nur geringfügig unterscheiden. Wer es individueller möchte, darf lediglich Attribute manuell zuweisen, die sonst vom Computer zugeteilt werden. Neben den obligatorischen Hitpoints sind das Punkte für "Seele" und "Geist", die später unter anderem für Magieeinsatz und Waffenbenutzung eine wichtige Rolle spielen. Viel falsch machen könnt ihr nicht, da ihr später bei Levelaufstiegen eigenhändig für die drei Attribute massig weitere Punkte vergebt und so vermeintliche Fehlentwicklungen schnell korrigiert.
Meister Li und seine Schüler
Habt ihr euch noch für einen Namen für euren Protagonisten oder eure Heldin entschieden beginnt euer Abenteuer in einem beschaulichen kleinen Dorf. Ihr seit der Musterschüler eines Meisterkämpfers in dessen kleiner Kampfschule. Meister Li ist der Prototyp des chinesischen alten Mannes, mit weißem Haar und langem Bart, der seine Weisheiten und überragendes Kampfgeschick den Schülern zu vermitteln versucht. Schon bald erfahrt ihr, dass ihr nicht nur sein Lieblingschüler seit, sondern euch von den anderen grundlegend unterscheidet. Als Baby seit ihr in die Obhut eures Meisters gekommen, der euch seitdem zu einem potentiellen Meisterkämpfer aufgezogen hat und jetzt eure besondere Abstammung vor euch enthüllt. Euer Geschick im Kampf müßt ihr gleich bei einem Überfall einer Räuberbande beweisen.
Eure erste Mitstreiterin (rechts auf der Brücke) begegnet euch in der Kampfschule, dem Beginn eures Abenteuers. Links seht ihr eine der wählbaren Alter Egos. Im Vordergrund rechts lümmelt sich eine unbeteiligte "Passantin" herum.
Das Kampfsystem läuft in Echtzeit ab. Im Gegensatz zum rundenbasierten "Knights of the old Republic" entledigt ihr euch eure Gegner in handfester Beat 'em Up Manier. Euch stehen dafür verschiedene Kampfstile zur Verfügung, zwischen denen ihr im Clinch beliebig wechselt - vier habt ihr via digitales Steuerkreuz immer zur schnellen Auswahl. Ein absolutes Muss, da einige der bösen Buben gegen die ein oder andere Kampftechnik immun sind. Blocken von Standardangriffen ist ebenso möglich wie mit einem langsameren Superangriff Blocks zu durchbrechen. Hat euch mal ein Gegnergrüppchen eingekreist, verschafft ihr euch mit einem Flächenangriff Luft. Durch Kombination zweier Stile landet ihr eine "Harmonische Kombination", mit der ihr Standard-Kontrahenten mit nur einem Schlag besonders blutig erledigt. Insgesamt stehen euch fünf verschiedene Kampfstilarten zur Verfügung.
Mit Geist und SeeleIhr erwehrt euch entweder mit einer Waffe in der Hand euren aufdringlichen Kontrahenten oder kämpft ohne Mordwerkzeug allein mit Schlägen und Tritten. Wollt ihr aus größerer Entfernung zuschlagen empfehlen sich Magiestile, mit denen ihr zum Beispiel Eiskristalle, Erdbrocken oder Feuerbälle fliegen laßt. Mit Unterstützungsstilen richtet ihr zwar zunächst keinen Schaden an. Dafür verlangsamt ihr eure Gegner oder macht sie für Sekunden bewegungsunfähig. Zu guter Letzt verwandelt ihr euch sogar in Dämonen, wenn ihr den entsprechenden Stil erlernt habt. Diese erlangt ihr, wenn ihr zum ersten Mal einem solchen Dämon erfolgreich gegenüber getreten seit. Ihr teilt dann zum Beispiel als langsamer Kröten- oder als agiler Pferdedämon Hiebe aus. Beim Einsatz der verschiedenen Stile spielen eure Fähigkeiten in Sachen Seele (Chi Punkte) und Geist (Fokus Punkte) eine gewichtige Rolle.
In der Hauptstadt des Kaisers ist in der Regel viel los. Die meisten Leute antworten auf eure Fragen allerdings meist nur mit einigen Standardfloskeln.
So kostet euch die Verwendung einer Waffe Fokus Punkte. Sind diese aufgebraucht, ist es Essig mit dem Einsatz eines Schwertes oder Kampfstabes und ihr müßt auf waffenlose Kampfarten zurückgreifen. Die zehren eure Fokus Fähigkeiten nämlich nicht aus. Außerdem belastet es euren Geist, wenn ihr in einen Bullet-Time ähnlichen Zeitverlangsamungsmodus schaltet. Während ihr in Normalgeschwindigkeit weiter kämpft, schleichen eure Kontrahenten in Zeitlupe über den Bildschirm. Die Chi Punkte eurer Seele sind noch vielfältiger nutzbar. Ihr heilt mit deren Hilfe Wunden, verwendet es für den Einsatz von Magiestilen oder dezimiert euren Vorrat, indem ihr euch in einen Dämonen verwandelt. Schließlich verstärkt ihr eure normalen Attacken auf Kosten eurer seelischen Verfassung.
Chi und FokusUm Chi und Fokus wieder aufzuladen, meditiert ihr an den gelegentlich sowohl in Städten als auch in Dungeons auftauchenden Schreinen oder verleibt euch von besiegten Gegnern zurückgelassene Power Ups ein. Neben Levelaufstiegen gibt es eine weitere Möglichkeit eure Fähigkeiten zu verbessern: Die Techniken. Ihr ergattert sie durch Lösen von Quests, Hantieren mit einer geheimnisvollen Maschinerie, fleißiges Lesen von Schriftrollen oder durch simplen Kauf. Durch verschiedene Techniken stockt ihr zum Beispiel eure Hitpoints auf, erhöht euren maximalen Chi oder Fokus Vorrat oder verbessert euch in den für die Gespräche mit anderen NPCs wichtigen Punkten Schmeicheln oder Einschüchtern. Doch aufgepaßt: Einige Techniken erhöhen zwar spezielle Attributwerte, bringen aber auch Verschlechterung in anderen mit sich. Da ist Abwägen angesagt.
Im Kampf sollte man sich möglichst nicht so einkreisen lassen, wie die Heldin hier. Ein Flächenangriff verschafft euch Platz vor all zu stürmischen Verehrern.
Wenn ihr einen Level aufsteigt, dürft ihr eure Kampfstile verbessern. Ihr verteilt Punkte für schnelleres Zuschlagen oder größeren Schaden. Länger andauernde Statusveränderungen eurer Unterstützungstile lassen sich ebenfalls bewerkstelligen. Eine Überlegung wert sind immer auch ein niedrigerer Chi oder Fokus Verbrauch beim Einsatz eurer Stile. Das wars aber auch dann fast schon mit der Charakterentwicklung. Ihr müßt euch weder Gedanken über verschiedene Kleidung oder Rüstungen für euren Protagonisten machen, noch abwägen zwischen zahlreichen Waffen. Zu Beginn wählt ihr lediglich zwischen Stab und Schwert, die ihr später nur einmal gegen ein besseres Exemplar eintauscht. Doppelsschwert oder Doppelaxt gibts automatisch im weiteren Spielverlauf beim Erwerb der jeweiligen Kampfstile.
Der GeistermönchZurück zur Besonderheit eures Alter Egos. Er (oder sie) ist der Letzte eines besonderen Kriegervolkes: Den Geistermönchen. Seit ihrer Auslöschung durch den chinesischen Kaiser finden die Toten keine Ruhe mehr und suchen die Lebenden heim. Als Geistermönch, der Toten den Weg ins Jenseits weist, steht euch ein besonderes, im weiteren Spielverlauf sogar noch erweiterbares Amulett zur Verfügung. In dieses Schmuckstück lassen sich Edelsteine einsetzen, die Eigenschaftsverbesserungen mit sich bringen. Wie bei den Techniken erhöht ihr durch Einsetzen der Edelsteine in das Amulett eure Werte. Einige Edelsteine bringen aber gleichzeitig mit Verbesserungen auch Verschlechterungen anderer Eigenschaften eures Charakters mit sich, ähnlich wie bei den Techniken.
Neben den Kämpfen besteht eurer Aufgabe rollenspieltypisch darin, die Gegend zu erforschen und Gespräche mit Personen zu führen um zusätzlich zu den für den Storyverlauf wichtigen Missionen kleinere Nebenquests zu ergattern. Alle Aufträge lassen sich sowohl auf gute als auch auf böse Art erledigen. Spielt ihr lieber den stets hilfsbereiten Samariter, dann folgt ihr dem sogenannten Weg der Offenen Hand. Böse Jungs und Mädels dagegen folgen der Philosophie der Geschlossenen Faust. Einige Kampfstile und Aufträge erhaltet ihr nur bei Befolgung einer der beiden Philosophien. Einige wenige Edelsteine oder Techniken lassen sich ebenfalls nur einsetzen, wenn ihr entweder zu den Guten oder Bösen gehört. Es gibt auf beiden Wegen Belohnungen in Form von Erfahrungspunkten, von Geld oder diversen philosophiabhängigen Kampfstilen. Daher lohnt es sich nach dem ersten Durchspielen durchaus in einem zweiten Anlauf der anderen Philosophierichtung zu folgen.
Offene Hand oder Geschlossene Faust?In eurem Abenteuer seit ihr zumeist mit einem computergesteuerten Kumpanen oder Begleiterin unterwegs. Nach und nach gesellen sich eurem Alter Ego nämlich weitere Personen hinzu, die euch auf eurer Suche nach dem Grund für das grausame Gebaren des chinesischen Kaisers und einer gefährlichen Geheimorganisation von Assassinen begleiten. Während euch eine Person begleitet, warten die anderen in einem sicheren Versteck. Jeder von ihnen hat eine eigene teils tragische, teils urkomische Geschichte zu bieten, die ihr nach und nach in Gesprächen mit euren Begleitern mitbekommt. Da ist zum Beispiel ein schmächtiger Ex-Arenakämpfer, der auf der Flucht vor seiner herrschsüchtigen Frau ist, ein undurchsichtiger ehemaliger Assassine, ein kleines Mädchen, in dem ein Dämon schlummert, oder eine inkognito umherstreifende Prinzessin. Wer es geschickt anstellt, schafft es sogar sein Alter Ego mit jemandem aus eurer Gefolgschaft zu verkuppeln.
In der Hauptstadt findet ihr eine Kampfarena, in der ihr euch mit den besten Kämpfern des Reiches messen könnt. Nicht nur euer virtueller Geldbeutel wird es euch danken ...
In den Kämpfen selbst legt ihr lediglich fest, ob euer Begleiter entweder selbst aktiv in den Kampf eingreift oder sich unterstützend im Hintergrund hält. Auf sein Vorgehen im Kampf selbst habt ihr keinen Einfluss. Unterliegt er oder sie im Kampf, steht er oder sie nach dem Gefecht in voller Gesundheit wieder an eurer Seite. Geht es in eurem Heimatdorf noch recht linear zur Sache, ändert sich das spätestens dann, wenn ihr eure erste Stadt besucht. Dort warten bis zu einem halben Dutzend Nebenquests auf euch, die euch abseits der eigentlichen Hintergrundgeschichte beschäftigen werden. Schließlich erwarten euch mit deren Abarbeitung willkommene Belohnungen, wie weitere Techniken, Kampstile oder Geld. Damit ihr später selbst in der großen kaiserlichen Hauptstadt nicht den Überblick über alle angenommenen Aufgaben verliert, hält euch ein kleines Tagebuch auf dem aktuellen Stand.
Kleine Ballerei auf ReisenWeite Reisen in Jade Empire nehmt ihr nicht etwa per Pedes vor, sondern schwingt euch in insektenähnliche fliegende Apparate. Dabei habt ihr die Wahl, ob ihr ein kleines Mini-Ballerspiel absolvieren wollt oder euch ohne diesen Horizontal-Shooter zur nächsten Location bringen laßt. Wie in einem klassischen Ballerspiel schießt ihr euch ansonsten den Weg zum nächsten Ort frei. In der Kaiserstadt erspielt ihr euch, vorrausgesetzt ihr stattet der richtigen Person einen kleinen Besuch ab, weitere Upgrades für euren fliegenden Untersatz, die euch zusätzliche Feuerkraft verschaffen. So gesellen sich zum Beispiel ein begrenzt Beschuss abweisendes Schild zu euren Flieger Extras hinzu oder durchschlagendere Waffen, mit denen ihr euch andere Flieger effektiv vom Leib haltet. Ihr müßt diese Action Einlage aber nicht zwingend spielen, sondern könnt euch auch direkt zum Zielort fliegen lassen.
Unterstützungstile sind eine feine Sache. Hier hat die Heldin gerade einen Gegner vor sich vereist. Wenn sie jetzt eine waffenlose Technik auswählt, kann sie diesen mit nur einem weiteren Schlag einer Harmonischen Kombination außer Gefcht setzen.
Optisch und vom Levelaufbau erinnert vieles an "Fable". So warten die meist in bunten Farbpaletten gestalteten Schauplätze mit ähnlich vielen Details auf wie Lionheads Rollenspielhighlight. Die Abschnitte, die ihr durchstreift, sind meist schlauchähnlich begrenzt und daher recht übersichtlich ausgefallen. Beim Übergang zu neuen Abschnitten müßt ihr kleine Ladezeiten abwarten, bevor es weiter geht. Ruckler treten nur selten auf. Gelegentliche Slowdowns begegnen euch, wenn sehr viel auf dem Bildschirm los ist. Entweder bei Kämpfen gegen mehrere Gegner oder in belebten Stadtteilen - hier vor allem in der Kaiserstadt. Sprachausgabe und Texte sind komplett in deutsch. Die Qualität der Sprecher reicht von gut bis emotionslos abgelesen. Die Musikuntermalung ist mit seinen ostasiatisch angehauchten Stücken sehr atmosphärisch. Speichern ist jederzeit und beliebig oft möglich.
Etwas einfacher zugänglich, dafür aber auch weniger komplex in der Charakterentwicklung als das große Vorbild Knights of the old Republic: so präsentiert sich Jade Empire auf der Xbox. Das actionreiche Kampfsystem lädt mit seinen vielen verschiedenen Kampfstilen zum Experimentieren ein - schließlich führen viele Wege zum Erfolg. Dabei schwankt der Schwierigkeitsgrad: Einige Techniken lassen euch selbst Bossgegner im Handumdrehen überwinden. Habt ihr den Dreh allerdings nicht raus, kann es aber auch hammerhart zugehen. Ansonsten punktet Biowares neues Rollenspiel mit seiner prächtigen fernöstlichen Atmosphäre dank der vielen interessanten Charaktere und nicht zuletzt aufgrund der wunderschönen Optik. Schade nur, dass das Ganze nicht ganz so umfangreich wie der Star Wars Vorgänger ausgefallen ist. Je nach persönlichem Können werdet ihr nach gut 30 bis 35 Stunden den Abspann zu Gesicht bekommen, wenn ihr denn den vielen Nebenquest fröhnt (sag).