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Conker Live & Reloaded
geschrieben von Sascha Gläsel
Hersteller: Rare, Microsoft Games
Genre: Action Jump'n'Run
System: Xbox, PAL-Version
Besonderheiten: deutsche Untertitel, englische Sprachausgabe; unterstützt Xbox Live u. System Link
USK (ESRB): Geeignet ab 16 Jahren
Spieler: 1 - 16 (LAN/Live)
Testmuster von: eigene Anschaffung
Nach langer Zeit mal wieder ein Lebenszeichen von Rare: Die von Microsoft übernommenen Spieleschmiede, die mit exzellenten Nintendo 64 Spielen Furore gemacht hatte, schickt mit Conker Live & Reloaded einen Nintendo 64 Klassiker in aufgepeppter Form an die Xbox Verkaufsfront.
Neben einem komplett überholten Mehrspielermodus enthält Conker Live & Reloaded das spielerisch lediglich marginal geänderte, grafisch aber mächtig aufgebohrte Soloabenteuer aus vergangenen Nintendo 64 Tagen: Conker's Bad Fur Day. Das Eichhörnchen Conker hat nach einer durchzechten Nacht auf dem Heimweg zu seiner Angebeteten eine falsche Abzweigung genommen und landet total verkatert auf einer lauschigen Wiese mit einem nicht weniger vom Alkohol gezeichneten Vogelscheuche Namens Birdy. Die erklärt eurem kleinen Nager dann auch gleich mal das wichtigste Tool auf eurem anstehenden Abenteuer: Die Bodenplatten mit dem Buchstaben "B".
Conker ist wieder unterwegs
Dabei kommt eine kontextsensitive Steuerung ins Spiel. Ihr erhaltet auf dieser Bodenplatte, nachdem ihr den besagten Joypad-Button betätigt habt, immer genau das Utensil, welches ihr gerade benötigt. Nach dem Gespräch mit der schwankende Vogelscheuche zum Beispiel ein Alka-Selzer, das aus von einem Kater traktierten, dahinschleichenden und sich gelegentlich hingebungsvoll übergebenden Conker ein wieder fideles Spring-ins-Feld Eichhörnchen macht. An anderer Stelle schießt ihr auf der "B" Bodenplatte mit einer Schleuder auf Käfer oder Explosivfäser, füllt Conker bis Oberkante Unterlippe mit Bier ab oder werft Klopapierrollen einem riesigen singenden Scheißeklos in den Rachen. Spielerisch beginnt Conker als 3D Jump'n'Run, entwickelt sich aber im weiteren zu einem Potpourri verschiedenster Genres.
Da klemmt ihr euch hinter ein Geschütz und ballert angriffslustige riesige Bienen vom Himmel, flattert als Fledermaus durch die Gegend um einen Vampir mit dem Blut unschuldiger Dorfbewohner zu füttern oder brettert mit Snowboards über einen Lavafluss und versucht andere Boarder von ihrem Fortbewegungsmittel zu schubsen. In den letzten Leveln mutiert Conker gar zum Third-Person Shooter. Ihr plättet als verkappter Van Helsing mit einem Schrotgewehr Eichhörnchenzombies, attackiert mit zwei Uzis Teddybären in Soldantenuniformen oder schießt euch zusammen mit Conkers Freundin in Slow Motion wie im Kinoklassiker "Matrix" durch eine Vorhalle. Conker's Bad Fur Day nimmt auch an anderen Stellen mächtig Anleihen an Kinoklassikern.
Anleihen an bekannte Kinoknüller
Nicht nur "Matrix", auch Versatzstücke von "Saving Privat Ryan" (Stranderstürmung), "The Untouchables", "Alien" (der finale Bosskampf ist dem zweiten Teil entlehnt) oder "Bram Stokers Dracula" finden sich im Soloabenteuer von Conker Live & Reloaded. Bei den skurrilen und abgedrehten Charakteren sind vor allem die Obermotze das Highlight. Seien es die Auseinandersetzung mit einem wie ein Pavarotti trällernden Scheißeklos, einer süßen kleinen Handpuppe mit gefährlichem Anhängsel oder einem riesigen Steinzeitmenschen mit "kleiner Ausstattung". Ein Brüller jagt den nächsten. Auch spielerisch sorgen sie für Kurzweil: Einfach sind die Bosse nämlich nicht zu besiegen. Nur die richtige Taktik sorgt für Erfolg.
Größte spielerische Änderung in Conker's Bad Fur Day zum N64 Vorbild ist der reichlich auftauchende neue gepanzerte Gegner. Kommt ihr diesem Kerlchen zu nahe oder haut ihr ihn mit eurem Baseballschläger, der die Bratpfanne aus dem Original abgelöst hat, einen über die Rübe, fährt er blitzschnell Stahlsporne aus, die eurem Eichhörnchen gar nicht gefallen wollen. Schon sind ein oder zwei von den insgesamt sechs Schokoladenstückchen aufgebraucht, die Conkers Lebensenergie repräsentieren. Mit dem richtigen Timing beim Knöpfchendrücken sind diese Stachelgegner allerdings kein Problem. Conker verfügt über einen Triple-Schwung, mit dem ihr euch dieser Kerlchen schnell und effektiv entledigt. Ansonsten ist spielerisch fast alles gleich geblieben. Lediglich einige knackige Aufgaben wurden leicht entschärft.
Gelegentlicher Frust inklusive
Frust kommt gelegentlich trotzdem auf. Einige Stellen abseits der Bossgegner haben es nämlich in sich und kosten euch schnell das ein oder andere Bildschirmleben. Zum Beispiel das anspruchsvolle Hooverboardrennen oder das Erklettern einer Stufenpyramide, auf denen kleine Dinosaurier Conker mit nur einem Stubser in den tödlichen Abgrund befördern können. Gerade in der ersten Hälfte des Spieles ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Ihr müßt unbedingt alle Geldscheinbündel aufsammeln, sonst landet ihr in einer Sackgasse. Eine Einblendung vor jedem Level zeigt euch die Anzahl der Geldbündel an und wie viele ihr schon eingesackt habt. Obwohl ihr in einer Oberwelt herumturnt, die scheinbar an mehreren Stellen zum Weiterkommen einlädt, geht es immer nur genau an einer Stelle wirklich voran. Da konkrete Hinweise fehlen, tappst ihr gelegentlich recht ziellos durch die Gegend.
Der Mehrspielerteil wurde im Gegensatz zu Conkers Soloabenteuer komplett neu entwickelt. Die alten Mehrspielermodi des Nintendo 64 Originals fielen allesamt unter den Tisch. Statt dessen bekämpft ihr euch in Third-Person Gefechten auf neuen Maps mit einer Vielzahl an neuen Figuren. Gleich geblieben sind die beiden gegnerischen Parteien: Es messen sich die Truppen der OKE (Oberkommando der Eichhörnchen) und die der Tediz. Beiden Parteien stehen Protagonisten verschiedener Klassen zur Verfügung. So gibt es den Standardsoldaten - auch Dreckfresser genannt - mit einem Maschinengewehr als Hauptbewaffnung. Wer möchte geht die Knallerei aber auch mit einem Scharfschützen oder einem langsameren Bazookaträger an. Freunde der heimlichen Attacke widmen sich dem mit einem Schwert bewaffneten Schleicher.
Welchen Soldaten hättens denn gern
Gelegentlich tauchen nach Abschüssen gelbe Medaillen auf, die ihr euch unbedingt einverleiben solltet. Bekommt doch euer Charakter eine zusätzliche Waffe beschert - abhängig von der Charakterklasse. Das kann ein Granatwerfer für den Dreckfresser sein oder eine Maschinenkanone für das Bazooka tragende Schwergewicht. Doch damit ist noch nicht genug. Schließlich verfügt jeder Protagonist noch über eine mehr oder weniger nützliche Spezialfähigkeit. Der Schleicher stellt sich Tod oder tarnt sich, der Dreckfresser darf sich sogar heilen. Zusätzliche Unterstützung erhaltet ihr durch kleine Terminals, an denen ihr stationäre automatische Geschütze, Hubschrauber oder verschiedene Fahrzeuge für den Einsatz bestellt.
Die Mehrspielergefechte stehen auch Solo Eichhörnchenfreunden offen. Schließlich läßt sich das Teilnehmerfeld mit computergesteuerten Bots auffüllen. Aufgrund der eingeblendeten Namen über den Köpfen der Teilnehmer geht insbesondere in engeren Passagen der insgesamt doch sehr weitläufigen Multiplayer Areale schon mal die Übersicht flöten. Wenn sich dank größerem Soldatenauflauf mehrere Namen überlappen, ist es recht schwer Freund und Feind zu identifizieren oder konkret zu ermitteln, wo jeder Protagonist denn nun genau steht.
Wunderprächtige Optik
Optisch hat Rare den N64 Klassiker an heutige hohe Xbox Standards angepaßt. Allen voran Conker mit seinem flauschigen Fell ist ein echter Hingucker. Selbstverständlich wurden auch Texturen und die Details in den einzelnen Abschnitten auf heutiges anspruchsvolles Niveau gehievt. Trotzdem gibt es gelegentliche kleine Ruckler und die ein oder andere minimale Ladepause. Prächtig auch wieder die englische Sprachausgabe. Die Stimmen passen ohen Ausnahmen exzellent zu den Charakteren. Darüber hinaus warren offenbar alle Sprecher mit Freude bei der Arbeit. Kraftausdrücke jeglicher Art werden sowohl in den deutschen Untertiteln ausgeblendet als auch in der englische Sprachausgabe ausgepiepst. Sogar etwas strenger noch, als im N64 Original.
Bitte Beachten
Da ich nicht über Xbox Live verfüge, habe ich das Spiel lediglich offline unter die Lupe nehmen können. Daher ist der Onlinepart von Conker Live & Reloaded nicht in die Wertung eingeflossen.
fazit
Auch wenn am Spielablauf des Soloteils von Conker Live & Reloaded der Zahn der Spielezeit nagt, so ist Conker's Bad Fur Day doch immer noch ein urkomisches Jump'n'Run Action Vergnügen. Nicht nur die witzigen Dialoge und Charaktere bannen vor das Pad. Nein, auch die spielerische Abwechslung überzeugt trotz einiger kleinerer Hakler und dezent frustiger Passagen. Ist Conker zu Beginn noch ein 3D Jump'n'Run, muss in späteren Leveln weitaus weniger gehüpft werden, da dort die Balleraction dominiert.
Die Neuausrichtung des Multiplayerparts hinterläßt bei mir dagegen zwiespältige Gefühle. Einerseits vermisse ich die Mehrspielerlevel des Nintendo 64 Originals. Andererseits sind die neuen Kämpferklassen, die neuen Spielorte sowie das Einbinden von Fahrzeugen eine willkommene Neuerung und aktuellen Standards geschuldet. Schade nur, dass die Kämpfe mit den Bots sehr hektisch ablaufen und oftmals Verwirrung Trumpf ist. Vor lauter eingeblendeter Spielernamen und Explosionen den Gegner auszumachen ist nicht immer leicht.
Wer den Klassiker für das Nintendo 64 noch nicht gespielt hat, sollte trotz der kleineren Schwächen unbedingt zuschlagen. So oft bekommt ihr solch witzige und kurzweilige Spieleunterhaltung schließlich nicht geboten (sag).
positiv:
negativ: