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geschrieben von Sascha Gläsel
Hersteller: Sega
Genre: Action Skating
System: Dreamcast, PAL-Version
Besonderheiten: benötigt Memory Card (34 Blöcke); unterstützt VGA Box, 60 Hz Modus, Vibration Pack; Cell Shading Grafik
USK (ESRB): ab 6 Jahren
Spieler: 1
Testmuster von: Sega
Und wieder einmal zeigt Sega der Konkurrenz wo Bartel den Innovationsmost holt. Kein anderes Softwarehaus kann in den letzten Monaten mit so vielen ausgefallenen Spielideen aufwarten, wie der japanische Videospielepionier. Doch wo zum Beispiel "Space Channel 5", "Get Bass" oder "Samba de Amigo" eher etwas für den Freak sind, ist "Jet Set Radio" gerade zu prädestiniert für den Massenmarkt. Schließlich erfreuen sich Trendsportarten nicht nur in Videospielen immer größerer Beliebtheit.
Tokio-to ist eine typische Großstadt-Metropole: Beton und nochmals Beton. Einzig die mehr oder weniger phantasievollen Graffities verschiedener Rollerblade-Gangs "verschönern" das triste graue Einerlei, mit deren Hilfe rivalisierende Banden ihr Revier in Tokio-to abstecken. Einer dieser Gangs liegt in eurer Obhut: Verteidigt das Einflußgebiet der GGs vor der Konkurrenz und sorgt für Expansion. Doch nicht nur andere Banden sind euch spinnefeind. Auch die Polizei will den Farbschmierern mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln das Handwerk legen.
Sprühen will gelernt sein
Bevor ihr Tokio-To unsicher macht durchlauft ihr eine ausgiebige Trainingssession, in der euch alle Feinheiten des Rollerblading mit den futuristischen Inline Skates näher gebracht werden. Schließlich wird nicht nur einfach schnöde durch die Gegend gelaufen sondern auch fleißig auf allerlei Bänken oder Geländer gegrindet werden, was die Rollen hergeben. Selbst vor blanken Betonwänden schreckt euer virtuelles Alter Ego nicht zurück um die tollsten Kunststückchen zu zeigen. Daneben will der Umgang mit den Spraydosen gelernt sein. Denn eure Hauptaufgabe wird es sein, das Zeichen eurer Gang (ein sogenanntes Tag) auf möglichst viele Wände, Autos, Plakate, Busse etc. zu sprühen, wo die Konkurrenz ihr Symbol bereits verewigt hat. Während ihr kleinere Tags mit einem kurzen Sprüher im Vorbeifahren überpinselt, erfordern größere schon etwas mehr Fingerfertigkeit. Ein halbes Dutzend oder mehr Bewegungen müßt ihr mit dem analogen Stick eures Joypads vollführen bis das komplette Graffiti-Kunstwerk in prächtigen Farben erstrahlt.
Seit ihr Fit auf den Rollen, die die Welt bedeuten, kann's mit dem Ernst des Skaterlebens in Tokio-to losgehen. Sorgt zunächst für etwas Zuwachs in eurer Gang, in dem ihr die Kunststücke, die euch einige Skater vorführen, nachäfft. Habt ihr diese so von euren Fähigkeiten überzeugt, trefft ihr sie in eurem Gang Hauptquartier wieder, wo sie bei Bedarf auf den nächsten Einsatz warten. Im weiteren Spielverlauf werden euch noch weitere skurrile Typen über den Weg laufen, die ihr in Duellen als Mitglieder anwerbt. Die neuen unterscheiden sich nicht nur im Aussehen gewaltig voneinander. Sie verfügen auch über unterschiedliche Fähigkeiten. Der eine kann mehr Schaden einstecken, ein anderer viele Farbdosen mit sich führen und wiederum ein anderer besonders gut skaten.
Auf der Flucht vor der Obrigkeit
Dies ist auch bitter nötig, wenn ihr euch auf die Spraytour macht. Schon der Straßenverkehr kann euch übel zusetzen, wenn ihr unachtsam seit und von einem PKW oder einem Bus über den Haufen gefahren werdet. Herumstreunende Fußgänger könnt ihr getrost links liegen lassen, springen sie doch behende zur Seite, wenn sie euch kommen sehen. Euer größter Feind, neben konkurrierenden Gangs, deren Mitglieder euch gelegentlich über den Weg laufen, ist Captain Onishima von der örtlichen Polizeibehörde. Gelingt es Onishima nicht, euch persönlich mit seiner riesigen Magnum das Handwerk zu legen, scheut er sich nicht euch mit Verstärkung auf die Pelle zu rücken. Neben Polizeistreifen, Fallschirmspringern oder SWAT Teams hat er auch schwereres Kaliber auf Lager, wie Kampfhubschrauber und Panzer, denen ihr nur verdammt schwer entkommt.
In den überschaubaren aber mit allerlei versteckten Plätzen aufwartenden Level bewegt ihr euch frei wie ein Vogel auf der Suche nach den Tags der anderen Gangs und wichtigen Extras. Euer oberstes Augenmerk gilt dem Spraydosennachschub, damit ihr euch, der ihr zu Beginn eines Levels stets ohne Farbe dasteht, auch fleißig als Künstler betätigen könnt. Sammelt also fleißig alle euch über den Weg laufenden Dosensymbole auf. Außerdem findet ihr rote Dosen, die eure Lebensenergie wieder auffrischen, solltet ihr der Polizei mal wieder etwas zu Nahe gekommen sein. Doch Vorsicht: Während Spraydosen immer wieder an bestimmten Stellen aus dem Nichts materialisieren gibt es die lebensspendenden roten Farbdosen nur ein einziges mal einzusacken. An besonders schwer zu erreichenden Stellen oder gut versteckt findet ihr darüber hinaus noch sogenannte Graffiti Souls. Krallt sie euch um eine noch größere Auswahl an vorgefertigten Tags zu haben, die ihr für eure Gang im Hauptquartier auswählen dürft. Dort habt ihr dank gefundener Graffiti Souls eine ständig wachsende Zahl an unterschiedlichen Symbolen für eure Gang zur Wahl. Sollten euch die vorhandenen aber nicht zusagen, malt doch einfach ein eigenes. Ein entsprechender "Malkasten" steht euch zur freien Verfügung.
Auf die letzte Sekunde
Ein kleinen Haken gibt es aber noch: Nicht nur die Ordnungshüter von Tokio-to sorgen für Kopfzerbrechen, sondern auch die zum Teil knackigen Zeitlimits. Ihr müßt die Tags der Konkurrenz nämlich innerhalb einer vorgegebenen Zeit mit dem Graffiti der eigenen Gang überpinseln, wollt ihr den betreffenden Level erfolgreich absolvieren. Damit ihr nicht ganz so verloren seit, greift euch "Jet Set Radio" mit einigen Hilfen unter die Arme. Da ist zum einen eine Übersichtskarte, in der unter anderem die noch zu besprühenden Objekte verzeichnet sind. Sind euch Onishima und Co einmal auf den Fersen zeigt euch zum anderen ein großer Pfeil (ähnlich dem in "Crazy Taxi"), wie ihr die Ordnungshüter abhängt. Die Level verfügen meist über mehrere Ebenen. Tummeln sich die Polizisten zum Beispiel in einem Straßenzug verdrückt ihr euch einfach auf die Dächer um sie los zu werden.
Neben der frischen Spielidee hat "Jet Set Radio" aber noch ein besonderes Schmankerl zu bieten: Die innovative Optik. Die Grafik sieht so aus, als wäre sie aus einem Comic Heft entsprungen, obwohl unter der scheinbaren platten 2D Optik eine 3D Engine fleißig vor sich hin werkelt. "Cell Shading" nennt sich das und sieht einfach verblüffend aus. Dazu passend auch die Gestaltung der im Spiel auftauchenden Charaktere, die wie in einem Comic teilweise grotesk überzeichnet sind. Allen voran Captain Onishima, ein auf Zwerggröße geschrumpfter Colombo Verschnitt, und seine Polizeigesellen. Die Skater, seien es die Leutchen aus eurer eigenen Gang oder von der Konkurrenz sind mit ihren grellen Outfits ähnlich skurril. Eure jeweiligen Wirkungsstätten sind detailliert in Szene gesetzt, die Skater und Polizisten flüssig und witzig animiert. Einige wenige Slowdowns sowie dezentes Pop Up lassen sich problemlos verschmerzen.
Passend zum Spiel gibt es Techno und Hip Hop aus Japan auf die Ohren. Präsentiert wird das Ganze von Professor K, dem aus Jamaica stammenden DJ des Piratensenders Jet Set Radio. Er bringt euch nicht nur eure nächsten Aufgaben locker flockig in englischer Sprachausgabe zu Gehör (mit deutschen Untertiteln) sondern warnt euch während einer Mission auch, wenn sich Ungemach, wie Verstärkungen der Polizei, anbahnt.
"Jet Set Radio" ist eine runde Sache, da einfach alles zusammenpaßt. Die abgefahrene Optik und die nicht weniger abgefahrenen Charaktere ergeben zusammen mit den Techno und Hip Hop Klängen sowie dem herausfordernden Sprayen und Skaten einen Mix, dem ihr euch, einmal auf den Geschmack gekommen, nicht mehr so schnell entziehen könnt. Selbst die zum Teil knackigen Aufgaben und der etwas geringere Umfang von "Jet Set Radio" schmälern den hervorragenden Gesamteindruck in keinster Weise (sag).