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geschrieben von Sascha Gläsel
Hersteller: Rare / Nintendo
Genre: 3D Jump`n`Run
System: Nintendo 64, US-Version
Besonderheiten: unterstützt Rumble Pak; Sound in Dolby Surround; drei Spielstände auf Modul
USK (ESRB): E(veryone)
Spieler: 1
Testmuster von: eigene Anschaffung
Wenn Rare mit einem neuen Spiel für das Nintendo 64 auf den Markt kommt, darf man einen Spitzentitel erwarten. Mit "Diddy Kong Racing" hat der Entwickler bereits das bessere "Mario Kart" herausgebracht. Ist "Banjo-Kazooie" vielleicht das bessere "Mario 64" und kann in Spielspaßdimensionen von Miyamotos Meisterwerk vordringen?
Zu Beginn wird man mit einer witzig gemachten Hintergrundgeschichte unterhalten. Die böse Hexe Gruntilda will unbedingt die Schönste im ganzen Lande sein. Doch leider sagt ihr der Zauberkessel Dingpot, dass nicht sie sondern Banjos Schwester Tooty dies für sich in Anspruch nehmen kann (kommt Euch das nicht irgendwie bekannt vor?). Wutentbrannt (und herrlich reimend) fliegt sie auf ihren Besen los Banjos Schwester zu kidnappen und mit Hilfe einer teuflischen Maschine Tooties Jugend auf sich selbst zu übertragen. Da Banjo, der Bär, friedlich in seinem Bett schlummert bekommt er die Entführung gar nicht mit. Erst seine Vogelfreundin Kazooie und der kurzsichtige Maulwuf Bottles, der alles mitangesehen hat, erzählen ihm von der Entführung. Wild entschlossen machen sich Banjo und Kazooie auf den Weg Tooty zu retten.
Ein Bär und ein Vogel auf Abenteuer
Anfangs kann Banjo mit Kazooie in seinem blauen Rucksack lediglich laufen und springen. Erst nach und nach bringt ihnen der Maulwurf Bottles neue Techniken bei, wenn Ihr die im Spiel verstreuten Maulwurfshügel findet. Im ersten Abschnitt außerhalb von Banjos Haus, wo das Spiel begonnen hat, macht Ihr Euch mit den Grundtechniken vertraut ohne zunächst auf störende Gegner zu treffen. Richtig los geht es erst, wenn Ihr Gruntildas Unterschlupf betretet.
Unsere beiden Helden starten immer mit drei Extraleben und stehen dabei in vollem Saft. Jedesmal, wenn Euch einer von Gruntildas Schergen erwischt oder Ihr auf giftigem Untergrund wandelt, verliert Ihr Lebensenergie. Sie wird durch gefüllte Honigwaben angezeigt, die so nach und nach leer werden bis man schließlich ein Leben verliert. Eure Lebensenergie wird durch volle Honigwaben aufgefüllt, die zurückbleiben, wenn Ihr einen Gegner zerlegt. Um mit mehr Lebensenergie durch Gruntildas Lair streifen zu können, solltet Ihr die in den Abschnitten gut versteckten leeren Honigwaben suchen. Sechs von diesen ergeben eine zusätzliche Honigwabe bei Eurer maximalen Lebensenergie. Die Anzahl Eurer Bildschirmleben stockt Ihr durch das Aufsammeln von meist gut versteckten goldenen Banjo Statuen auf.
Ein Maulwurf als Lehrmeister
Erst im weiteren Verlauf des Spieles erlernen die beiden Freunde von Bottles neue Fähigkeiten dazu als Kombination aus dem Z mit den gelben C-Knöpfen. Da kommt zum Beispiel Kazooie aus dem Rucksack heraus, nimmt Banjo Huckepack und läuft mit dem Bären auf dem Rücken los. Mit seinen dürren Beinchen kann Kazooie so auch Anstiege bezwingen, die Banjo nicht hochkommen würde. Außerdem ist nur Kazooie in der Lage sich zwei Spezialschuhe überzustreifen. Mit den Sprintschuhen läßt Kazooie jeden 100 Meter Sprinter alt aussehen, mit den grünen Gummistiefeln kann sie sich auch auf giftigem Untergund bewegen. Die Steuerung bleibt, auch wenn fast alle Knöpfe belegt sind, übersichtlich. Manchmal werdet Ihr wahrscheinlich mal die ein oder andere Aktion verwechseln, nach kurzer Zeit habt Ihr aber intus, was welcher Button bewirkt.
Daneben gibt es die aus "Mario 64" bekannte Hosenboden Attacke, die Wunder gegen auf dem Boden herum kriechende Gegner und bei Zerbröseln von Kisten bewirkt. Ansonsten ist Kazooie Banjos beste Waffe. Wenn sich Banjo mit Kazooies Schnabel voran auf die Gegner stürzt, bleiben nur die wenigsten aufrecht stehen. Natürlich können die beiden auch schwimmen. Dann schlägt Kazooie kräftig mit seinen Flügeln aus damit sie schnell vorankommen, oder Banjo paddelt mit seinen Füßen und läßt das Gespann so etwas langsamer durchs Wasser gleiten. Allerdings können unsere Helden nur eine begrenzte Zeit die Luft anhalten.
Parallelen zu "Mario 64"
Was bereits zu Beginn des Spieles auffällt sind die starken Parallelen zu Miyamotos Meisterwerk "Mario 64". Der Aufbau des Spieles und der Spielablauf gleichen sich stark (was ja nicht schlecht sein muss). Es gibt mit Gruntildas weitläufigen Unterschlupf eine "Oberwelt", die die einzelnen Spielabschnitte miteinander verbindet. Sie ist so umfangreich, dass Ihr Euch gerade zu Beginn öfter mal verlauft. Später nutzt Ihr Teleporter (verschiedenfarbige Hexenkessel), die Banjo schnell von einer Ecke in einen anderen Bereich bringen.
Damit Ihr einen Level betreten dürft muss dessen Eingang zuerst geöffnet werden. Zu diesem Zweck findet man in Gruntildas heimischen Gefilden verstreut unvollständige Puzzles, die Ihr mit gesammelten Puzzlestücken komplettiert. Doch woher nehmen? In Gruntildas Unterschlupf sind zehn Puzzleteile versteckt, in jedem der neun Level nocheinmal jeweils zehn. Ihr müsst sie Euch meist verdienen, indem Ihr bestimmte Aufgaben löst. Einige Puzzlestücke sind einfach an unzugänglichen Orten versteckt. Für andere schmückt Ihr zum Beispiel einen riesigen Weihnachtsbaum, besiegt einen Alligator beim Wettessen, helft einem Piraten seinen verlorenen Schatz einzusammeln, bestreitet ein Schlittenrennen gegen ein Walross, spielt eine Melodie auf einer Orgel nach, durchkämmt Labyrinthe, füttert diverse Gefäße oder Statuen mit Eiern, und vieles mehr.
Jäger und Sammler
Daneben sammelt Ihr fleißig goldene Noten, kleine Totenschädel, rote und goldene Federn, sowie kleine hellblaue Eier. Die Noten sind Rares Äquivalent zu den Münzen in "Mario 64". Jeder Level beherbergt einhundert an der Zahl. Ihr könnt also maximal 900 davon einsammeln. Schaut Euch sorgfältig nach den Noten um. Ihr bekommt zwar nichts, wenn Ihr alle einsammelt; aber Gruntilda hat einige Türen verzaubert. Sie öffnen sich erst, wenn Ihr eine bestimmte Anzahl an Noten vorweisen könnt. Die roten Münzen aus "Mario 64" findet man in Form der Jinjos auch in Rare´s Jump´n´Run wieder. In jedem der neun Abschnitte sind fünf dieser kleinen possierlichen Tiere versteckt. Wer alle fünf eines Levels findet, wird mit einem Puzzleteil belohnt. Immer wenn Ihr ein Pfeifen vernehmt solltet Ihr Euch genau umsehen. Ein Jinjo ist in der Nähe.
In einigen Abschnitten befindet sich ein riesiger gelber mit roten Federn geschmückter Totenschädel. In diesem residiert der Voodoo Priester Mumbo, der Euch gegen eine kleine Gefälligkeit in eine Termite, ein kleines Walross, ein Krokodil, einen Kürbis (!) oder eine pummelige Biene verwandelt. Die kleine Gefälligkeit sind die kleinen Totenköpfe, die Ihr in den Level verstreut findet. Die erste Verwandlung kostet eine bestimmte Zahl dieser Totems, jede weitere Verwandlung ist dann glücklicherweise kostenlos. So transformiert könnt Ihr jetzt auch Bereiche ansteuern, die Euch sonst verwehrt geblieben sind, weil Banjo zum Beispiel einfach zu dick ist um sich durch kleine Durchgänge zwängen zu können.
Fliegen will gelernt sein
Die Eier dienen als willkommene Wurfgeschosse um sich unliebsame Gegner vom Hals zu schaffen oder den ein oder anderen Zeitgenossen zu füttern. Banjo kann die Eier sowohl nach vorne werfen als auch nach hinten fallen lassen. Der Bär kann natürlich nicht fliegen, Kazooie aber sehr wohl (ist ja nicht umsonst ein Vogel). Hat ihr Bottles das Fliegen beigebracht, könnt Ihr mit Kazooie, die Banjo ins Schlepptau nimmt, auch aufsteigen. Dies ist allerdings nur an bestimmten Stellen möglich, die durch eine blaue Federplaketten gekennzeichnet sind. Ein Druck auf den Sprung-Knopf und schon erhebt sich Kazooie in die Lüfte. Voraussetzung ist aber, dass Ihr im Besitz einer roten Feder seit. Leider verliert das Gespann relativ schnell wieder an Höhe (ein Bär ist schließlich schwer). Mit jedem weiteren Flügelschlag von Kazooie steigen die beiden wieder höher hinauf; allerdings auf Kosten einer weiteren roten Feder pro Flügelschlag. Da Banjo und Kazooie fünfzig dieser Federn tragen können, könnt Ihr Euch relativ lange in der Luft halten.
Die goldenen Federn schließlich machen unsere beiden Helden für eine kurze Zeit unverwundbar. Ach ja, auch diese Federn kann man erst einsetzen, wenn Bottles den beiden Protagonisten den korrekten Gebrauch erklärt hat. In Gruntildas Unterschlupf begegnet Euch an mehreren Stellen eine gute Fee. Brentilda ist die Schwester der bösen Hexe und plaudert mit Euch über Gruntildas Vorlieben. So erfahrt Ihr zum Beispiel, mit was sich die Hexe die Haare wäscht oder die Zähne putzt. Unbedingt notieren, was Euch die Fee erzählt. Ihr werdet es im späteren Spielverlauf noch brauchen. Doch Achtung: Von Spiel zu Spiel können sich diese Angaben ändern!
Abwechslung noch und nöcher
Die einzelnen Abschnitte sind grafisch abwechslungsreich gestaltet worden. Kein Level gleicht dem anderen. Jeder hat ein anderes grafisches Grundmotiv, das von Wüste, über Wald, Sumpf, einem Hafen, einer Eiswelt bis hin zu einem Strandabschnitt reicht. Entsprechend abwechslungsreich sind die Texturen, die durch ansprechende Lichteffekte ins rechte Licht gerückt werden. Die Charaktere im Spiel wurden flüssig und teilweise witzig animiert. Mit einem Trick hat Rare den verhassten Nebel vermieden. Die Weitsicht ist zwar enorm, wird aber durch das Ausblenden weiter weg befindliche Gegenstände und Gegner erkauft. Kommt Ihr dann näher, erscheinen diese zunächst transparent bevor Ihr sie dann bei weiterer Annäherung in ihrer ganzen Pracht zu sehen bekommt. Leider verschwinden Gegenstände manchmal bereits auf relativ kurzer Entfernung, was vor allem die Suche nach Noten etwas erschweren kann.
Wie bei allen 3D Jump´n´Runs kommt es manchmal zu unübersichtlichen Situationen. Ihr verliert Banjo aus den Augen, weil er durch eine Wand, ein Säule oder ein anderes Hindernis verdeckt wird. In den meisten Bereichen des Spieles könnt Ihr aber die Kamera frei um die Spielfigur herum bewegen und bekommt so den Bären wieder ins Sichtfeld. Sehr hilfreich ist hier die R-Taste, mit der Ihr die Kamera immer direkt hinter Banjo und Kazooie platziert. Außerdem solltet Ihr auch mal stehen bleiben und Euch mit Hilfe von C-oben genau umsehen, damit Euch keine versteckte Nische oder verborgener Gegenstand entgeht. Es gibt aber auch Räume, in denen die Perspektive fest vorgegeben ist. Dankenswerter Weise hat man bei Rare dafür gesorgt, dass in den dabei nicht so gut einsehbaren Bereichen keine bösen Überraschungen auf unsere Protagonisten warten, höchstens mal ein verstecktes nützliches Extra.
Auch Musik überzeugt
Bei der Musik hat sich Rare etwas besonderes einfallen lassen. In Gruntildas Lair erklingt ein Titel, der sich fließend verändert, wenn Ihr in der Nähe bestimmter Abschnitte kommt. Erst wenn Ihr einen Level betretet, ändert sich die Musik völlig, da in jedem eine individuelle Musik erklingt. Da der Modulspeicher begrenzt ist, könnt Ihr die Akteure nicht richtig sprechen hören. Stattdessen seht Ihr Texteinblendungen. Gleichzeitig geben die Charaktere undefinierbare Laute vor sich, die aber ganz gut zu ihnen passen. Bei den Unterhaltungen werdet Ihr öfters mal ins Schmunzeln kommen, wenn sich zum Beispiel Bottles und Kazooie mal wieder in die Haare kriegen oder sich die beiden Freunde Banjo und Kazooie triezen. Bleibt einfach mal eine längere Zeit untätig stehen. Kazooie wird Euch ziemlich nachdrücklich zum Weiterspielen auffordern. Herrlich sind auch die immer wieder mal auftauchenden Kommentare der Hexe Gruntilda, die Ihren Spott in Richtung Banjo immer in Reime fasst.
Zum Abspeichern Eurer Fortschritte ist kein Controller Pak nötig. Auf dem Modul finden drei Spielstände Platz. Das Speichern erfolgt automatisch, wenn Ihr eine Aufgabe gelöst habt und den entsprechenden Abschnitt wieder verlasst. Wer auf Nummer sicher gehen will, beendet ein Spiel immer mit "Aufhören und Speichern". Dagegen wird das Rumble Pak voll unterstützt. Besonders heftig wird das Pad bei Mumbos Verwandlungen oder der Stampfattacke vibrieren.
Zurück zur Eingangs gestellten Frage. Für mich ist "Banjo-Kazooie" das bessere 3D Jump´n´Run. Es überflügelt "Mario 64" weniger wegen der natürlich mindestens um eine Klasse besseren Grafik, sondern aufgrund der zum Teil skurrilen aber immer logischen kleinen Aufgaben, die Banjo und Kazooie lösen müssen. Durch die unterschiedlichen Moves der beiden Protagonisten ist für spielerische Abwechslung gesorgt. Zudem kommt der Humor nicht zu kurz. Vor allem die Gespräche der Akteure sind einfach ein witziges Erlebnis. Die Steuerung von Banjo und Kazooie durch die abwechslungsreichen und grafisch imposanten Level ist vorbildlich. Der Schwierigkeitsgrad ist zu Anfang eher moderat zieht aber im weiteren Verlauf kontinuierlich an. Um an alle Puzzleteile und Noten heranzukommen habt Ihr einiges zu tun, werdet dabei aber auch über einen längeren Zeitraum glänzend unterhalten. Lediglich das erst relativ späte einblenden von Gegenständen stört das ansonsten so überaus positive Bild.
Tja, es bewahrheitet sich mal wieder: Wo Rare draufsteht ist auch Qualität drin (sag).