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geschrieben von Sascha Gläsel
Hersteller: Electronic Arts
Genre: Sportspiel
System: Nintendo 64, PAL-Version
Besonderheiten: benötigt Controller Pak (123 Blöcke); Original Teams und Mannschaften
USK (ESRB): keine Altersbeschränkung
Spieler: 1 - 4
Testmuster von: eigene Anschaffung
Alle Jahre wieder. Unter diesem Motto kann man die Produktpolitik von Electronic Arts (EA) zusammenfassen, wenn es um die Spiele aus der EA Sports Reihe geht. Beglückt uns EA doch regelmäßig mit Neufassungen ihrer NHL, FIFA, PGA oder Madden Serie. Mit "FIFA 98: Die WM Qualifikation" liefert Electronic Arts aber mehr als nur ein schnödes Update ihrer Fußballspielreihe für das Nintendo 64 ab.
Startet Ihr FIFA 98 werdet ihr von einem Song der Gruppe Blur begrüßt, der allerdings nach nur wenigen Sekunden wieder ausgeblendet wird. In den Menüs bekommt Ihr eine andere Hintergrundmusik geboten. Im Hauptmenü können die verschiedenen Spielmodi angewählt werden. Der Neuling sollte zunächst einmal ein Auge auf den umfangreichen Trainingsmodus werfen, in dem man sich bei Standardsituationen oder kleinen Trainingsspielen mit einer frei wählbaren Anzahl an Feldspielern mit der komplexen Steuerung vertraut machen kann.
Komplettes WM-Turnier inklusive
So gewappnet könnt Ihr Euch den eigentlichen Spielmodi widmen. Zur Auswahl stehen ein komplettes WM-Turnier von der Qualifikation bis zur Endrunde in Frankreich, eine nationale Liga, in der Ihr Euch in den stärksten Ligen der Welt behaupten müsst, ein Freundschaftsspiel, bei dem Ihr mit beliebigen Mannschaften auch in der Halle antretet, und ein Elfmeterschießen.
Das Prunkstück von FIFA 98 ist sicherlich der WM-Modus. EA hielt sich genau an den exakten Qualifikationsmodus der FIFA für die WM in Frankreich. So werdet Ihr zum Beispiel Deutschland in der Europagruppe 9 mit den Gruppengegnern vorfinden, mit denen sich Bertis Buben auch in der Realität auseinander gesetzt haben. Die reale Gruppenauslosung der kommenden WM in Frankreich wurde nicht übernommen, so dass Ihr nicht alle Teams in Frankreich wiederfinden werdet, die sich auch tatsächlich für die Endrunde qualifiziert haben. Dies hebt sich EA für eine weitere FIFA Auflage auf, die kurz vor der WM erscheinen soll. Es kann also gut sein, dass sich Luxemburg als Endrundenteilnehmer qualifizieren kann. Bei der Austarierung der Mannschaften und der computersimulierten Spiele, ist EA leider nicht so sorgfältig vorgegangen. Es gibt einfach zu oft überraschende Ergebnisse. Das ein "kleines" Team mal einem großen ein Bein stellen kann, kann ja schon mal vorkommen, aber gleich reihenweise? Zumindest bleibt ein Trost: In der Endrunde setzen sich in der Regel die besseren Teams durch.
Mängel im Detail
Auch die Präsentation läßt etwas zu wünschen übrig. Das fängt schon damit an, dass man zum Beispiel nicht automatisch die Qualifikationsgruppe angezeigt bekommt, in der sich das vom Spieler kontrollierte Team befindet. Das geht damit weiter, dass die Ergebnisse der anderen Gruppen oder auch nur die Ergebnisse der Konkurrenten in der eigenen Gruppe während oder nach dem eigenen Spiel nicht angezeigt werden. Ihr werdet nur die Auswirkungen in der Tabelle sehen. Auch die Zwischensequenzen, wenn sich das eigene Team für die nächste Runde qualifiziert oder den Titel holt, sind sehr mager ausgefallen.
Ähnliche Mängel weißt auch der Liga Modus auf. Hier könnt Ihr eine Mannschaft aus elf verschiedenen Ligen, darunter die wohl stärksten Ligen der Welt aber auch einige "Außenseiter", wählen. Unter anderem könnt Ihr euch in der englischen Premier League, der holländische Ehrendivision, selbstredend der Bundesliga, der italienischen Seria A oder der spanischen Primera Division verdingen. Allerdings stehen mit der ersten Liga aus Malaysia oder der neu gegründeten amerikanischen Profi Liga auch zwei weniger bekannte Ligen zur Auswahl.
Original Teams und Spieler
In den Ligen stehen die Originalteams mit den realen Spielernamen bereit. Wahrscheinlich wegen des geringen Speicherplatzes des Moduls stehen aber nur 16 Spieler pro Mannschaft zur Verfügung. Es kann Euch also durchaus mal passieren, dass Ihr für ein Spiel nur noch 12 oder weniger einsatzbereite Spieler zur Verfügung habt, wenn Verletzungen oder Sperren den Kader dezimieren. Abhilfe könnt Ihr schaffen, indem Ihr neue Spieler einkauft. Doch Vorsicht, jeder Mannschaft steht nur ein begrenztes Budget für die Verpflichtung neuer Spieler zur Verfügung.
Leider werden Euch auch im Ligabetrieb die Ergebnisse der Konkurrenz vorenthalten. Ihr seht nur die Auswirkung in Form des Tabellenstandes. Die Regelungen für Sperren nach einer bestimmten Anzahl an gelben Karten während einer Saison scheint FIFA 98 auch nicht zu kennen. Wie auch schon im WM Turnier nach zwei gelben Karten, gibt es zum Beispiel in der Bundesliga kein Spiel Sperre, wenn man fünf gelbe Karten eingeheimst hat. In diesem Fall gilt also nicht "If it´s in the game, It´s in the game".
Für die kleine Zwischenmahlzeit: Die Hallenspiele
Wer nur mal ein Spiel zwischendurch machen will, der liegt bei einem Freundschaftsspiel richtig. Nur hier ist es möglich, auch mal ein Spiel in der Halle auszutragen. Allerdings kennt FIFA 98 keine speziellen Hallenregeln, so dass Ihr nach einem schweren Foul zum Beispiel keine zwei Minuten Strafe wie im DFB Hallenmasters bekommt, sondern mit einer roten Karte vom Platz gestellt werdet. Bei nur vier Feldspielern ein harter Schlag. In einem Freundschaftsspiel könnt Ihr aber auch mal mit einer Vereinsmannschaft in einem reizvollen Duell gegen eine Nationalmannschaft antreten, da in diesem Modus bei der Auswahl der Teams alle Mannschaften des Spieles zur Verfügung stehen.
Mit dem Editor gibt EA dem Spieler die Möglichkeit, die Teams zu verändern. Bei der letzten Fernsehübertragung habt Ihr mitbekommen, dass Euer Lieblingsspieler neuerdings einen Bart trägt? Kein Problem. Schnell in den Editor und dem Pendant in FIFA 98 einen Bart verpasst. Ihr könnt ihm sogar neue Gesichtszüge, eine andere Haut- oder Haarfarbe geben. Das Ausweichtrikot stimmt nicht mit der Realität überein? Dank Editor läßt sich dies schnell aus der Welt schaffen. Was der Editor leider nicht bieten kann, ist die Möglichkeit, eigene Spieler zu kreieren und die Spielstärke der vorhandenen Spieler zu erhöhen. Eine Korrektur der Eigenschaftswerte eines Spielers, die Ihr als zu niedrig empfindet, könnt Ihr leider nicht vornehmen. Lediglich eine "Umschichtung" von einem Wert auf einen anderen ist möglich. So dürft ihr den Wert für die Fitness zum Beispiel nur dann erhöhen, wenn Ihr einen anderen Wert, wie zum Beispiel für Antritt, Beweglichkeit, Konzentration oder Kreativität, runter setzt.
Editor mit fehlenden Features
Die Nationalmannschaften können im Editor ebenfalls verändert werden. So können Spieler in den Kader übernommen werden, die von den FIFA Machern nicht berücksichtigt worden sind. Allerdings hat EA dem Spieler Grenzen gesetzt. So ist die Anzahl von Spielertransfers auf maximal 300 die Anzahl an veränderten Teams auf 20 begrenzt.
Die Aufstellung und die Strategie einer Mannschaft dürfen jederzeit geändert werden. Es stehen wieder eine Vielzahl an Aufstellungen zur Verfügung, wie zum Beispiel die klassischen 4-4-2 oder 4-3-3. Dabei unterscheidet FIFA 98, ob man in der Abwehr mit Libero oder auf einer Linie spielen will. Die Spieler selbst kann man einzeln leider nicht völlig frei in der Abwehr, dem Mittelfeld oder dem Angriff verschieben, wie es zum Beispiel in "International Superstar Soccer 64" von Konami möglich ist, sondern nur innerhalb eines kleinen Kreises um die ursprüngliche Position in der Aufstellung. Bei der Strategie ist es nur möglich, die gesamte Aufstellung zu verschieben. Es ist nicht möglich, zum Beispiel nur die Stürmer weiter nach vorne zu stellen und die Abwehr und das Mittelfeld weiter hinten agieren zu lassen.
Auf Simulation getrimmter Spielverlauf
Das Geschehen auf dem Rasen kann überzeugen. Die im Mid-Res Grafikmodus des Nintendo 64 gehaltene Grafik kommt zwar manchmal, besonders bei Kameraschwenks, leicht ins Ruckeln, bietet aber ansonsten dank Motion Capturing flüssige und lebensecht wirkende Animationen der Akteure. Die Steuerung der Spieler ist komplex aber relativ leicht zugänglich. Torschuss, Pass, Grätsche, Dribbling und Flanke sind schnell erlernt. Nach und nach kommen auch komplexere Aktionen dazu, die Ihr zum Teil durch Kombination verschiedener Tasten selbst herausfinden müsst. Direktpassspiel, Dribblings, Flankenläufe, harte Tacklings, aufreibende Torraumszenen, kurzum, alles, was ein Fußballspiel spannend und interessant macht, kann FIFA 98 bieten.
Einziger Wehrmutstropfen ist der Torhüter. Was der sich alles für Schoten erlaubt, passt schon nicht mehr auf eine Kuhaut. Er hält zwar sehr zuverlässig alle Weitschüsse, aber die Strafraumbeherrschung ist zum Teil ein Albtraum. Er weigert sich gerne mal Bälle, die durch den Strafraum kullern, auch aufzunehmen oder bei Rückpässen wegzuschlagen, so dass sich ein Stürmer den Ball holen und ins Tor schieben kann. Abwürfe sollte man meiden, da der Torhüter etwa die Hälfte der Bälle zum Gegner statt zum eigenen Spieler wirft. Die anderen vom Computer gesteuerten Mitspieler verhalten sich der Aufstellung entsprechend lassen aber ein gesundes Maß an Flexibilität vermissen. So ist es mir des Öfteren passiert, dass ein vom Computer gesteuerter Mitspieler statt sich den Ball zu holen, einfach abgedreht ist, obwohl er am günstigsten zum Ball stand, nur um seine Position zu halten. Die Computergegner lassen auch einige Wünsche offen. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass ein Ronaldo, wenn er freien Weg zum Tor und nur noch den Torwart vor sich hat, von der Strafraumgrenze unbedrängt einfach abzieht statt den Torwart zu umspielen oder doch zumindest bis in den Strafraum hinein zu laufen.
Ordentliche Stadionatmosphäre
Das Publikum meldet sich während eines Spieles angemessen zu Wort und geht auch den Aktionen auf dem Spielfeld entsprechend mit. Begleitet wird das Geschehen auf dem Rasen durch Kommentare der aus dem Fernsehen bekannten Kommentatoren Wolf Dieter Poschmann (ZDF) und Werner Hansch (SAT1). Allerdings haben sie nicht übermäßig viel zu sagen. Es befindet sich ebenfalls ein englischer Kommentar auf dem Modul. Den hätte man zugunsten eines ausführlicheren deutschen ruhig einsparen können. Ungewöhnlich bei FIFA 98, wenn Ihr den deutschen Kommentar hören wollt, reicht es nicht, in den Spiel-Optionen die Sprache auf "Deutsch" zu setzen. Einen deutschen Kommentar bekommt Ihr erst zu hören, wenn Ihr den Kommentar in den Audio-Optionen "Deutsch" einstellt. Wenn Euch der Kommentar nach einer Weile auf die Nerven gehen sollte, könnt Ihr ihn aber auch ausschalten.
Etwa die Hälfte der zur Verfügung stehenden Perspektiven sind brauchbar. Am besten haltet Ihr Euch an der voreingestellten Tele-Kamera. Ein Radar ist zuschaltbar, verdeckt aber den oberen Teil des Bildschirmes. Bei Standardsituationen stehen jeweils drei verschiedene Modi zur Verfügung, die mit C Rechts durchgeschaltet werden können. So kann mit einem Kreuz die Stelle markiert werden, wo der Ball hinfliegen soll, oder mit einem Pfeil die Richtung des Schußes oder einfach ein Mitspieler, der den Paß oder die Flanke empfangen soll, bestimmt werden.
Ein weiterer Controller Pak "Fresser"
Wer Spielstände abspeichern will, benötigt ein Controller Pak. FIFA 98 belegt mit 123 Blöcke den kompletten Speicher eines normalen Controller Paks. Es können gleichzeitig zwei Turniere abgespeichert werden. Es ist also möglich, sowohl eine Liga als auch ein WM Turnier gleichzeitig auf dem Controller Pak abzuspeichern. Die lieblos wirkende in schwarzweiß gehaltene Anleitung vermittelt zwar detailliert die kompletten Qualifikationsmodi für die WM der sechse geographischen Gruppen, läßt Euch aber über die Bedeutung der Abkürzungen der Eigenschaftswerte oder die Auswirkungen der verschiedenen Eigenschaften auf die Spieler im Dunkeln.
"FIFA 98: Die WM Qualifikation" hinterlässt bei mir einen leichten negativen Nachgeschmack. An für sich ist FIFA 98 ein sehr gutes Spiel, das aufgrund seiner vielen originalgetreuen Mannschaften und Ligen ein großes Betätigungsfeld bietet. Auch über die etwas ruckelnde Grafik kann man aufgrund der tollen Spielbarkeit locker hinwegsehen. Leider gibt es viele vergebene Chancen. Warum werden mir zum Beispiel nicht die Ergebnisse der Konkurrenz angezeigt? Warum kann ich kein eigenes Turnier, zum Beispiel eine Art Europaliga, oder eigene Spieler entwerfen? Wegen dieses %&&/$%§ Torhüters möchte ich das ein oder andere Mal am liebsten das Joypad an die Wand schmeißen. Entschädigt wird man durch glasklaren, ordentlichen Live Kommentar und viel Fußballaction auf dem Rasen, der sich allerdings wie im richtigen Leben auch mal im Mittelfeldgeplänkel verliert.
Zum Schluss die Gretchenfrage. Ist FIFA 98 besser als "International Superstar Soccer 64" von Konami? ISS 64 bietet in meinen Augen die sinnvolleren und durchdachteren Einflussmöglichkeiten auf Taktik und Strategie der Teams als FIFA 98. Dafür glänzt FIFA 98 mit den original Spielern und Teams. Auf dem Rasen geben sich beide Titel wenige Blößen. Während FIFA 98 mehr hin in Richtung Simulation geht, ist ISS 64 mehr action-orientiert und etwas leichter zugänglich. Dafür hat ISS 64 den besseren Torhüter zu bieten. Letztlich sehe ich ISS 64 weiter als Klassenprimus. FIFA 98 kommt Konamis Meisterleistung schon recht nah, verpasst aber durch viele kleine Mängel mit ISS 64 gleichzuziehen (sag).